Trotz Festpreisvereinbarung: Nachverhandeln kann sich lohnen

Die Autorin des Gastbeitrags, Katharina Weber, ist Gründungsmitglied und CEO der NAG
Figure: Anne Kaiser

Die Autorin des Gastbeitrags, Katharina Weber, ist Gründungsmitglied und CEO der NAG
Figure: Anne Kaiser
Steigende Materialpreise und Löhne, anhaltend hohe Zinsen und eine schwache Nachfrage – für viele Bauunternehmen geht die Kostenkalkulation nicht auf. Was tun?

Bei vielen Immobilienprojekten, die sich naturgemäß über viele Jahre, manchmal sogar Jahrzehnte hinziehen, kämpfen die Investoren aktuell mit höheren Kosten bei Finanzierung, Materialien und Löhnen. Zudem machen veränderte Anforderungen an die Projekte sowie rückläufige Immobilienpreise aufgrund der wirtschaftlichen Unsicherheit vielen privaten Bauträgern einen Strich durch die Rechnung. Etliche Immobilieninvestoren wie die österreichische Signa Gruppe von René Benko sind schon pleite. Oder ihnen droht die Insolvenz, wenn es ihnen nicht gelingt, Preise und Konditionen nachzuverhandeln.


Nachverhandeln ist möglich

Projektverträge werden in der Bauwirtschaft häufig in Form eines EPC-Vertrags abgeschlossen. EPC (Engineering, Procurement, Construction) bedeutet, dass der Auftragnehmer als Generalunternehmer auftritt und die Verantwortung für Planung, Beschaffung und Errichtung eines Projekts übernimmt. Er liefert dem Auftraggeber ein funktionsfähiges schlüsselfertiges Endprodukt, oft zu einem festen Pauschalpreis, wobei er das Projekt auch mithilfe von Subunternehmen ausführt.

Doch trotz der vermeintlich schwachen Verhandlungsposition wegen der Festpreisvereinbarung haben Unternehmen Chancen, Verträge nachzuverhandeln. Dazu müssen sie die Verträge der gesamten Prozesskette, vom Einkauf über die Produktion bis hin zum Vertrieb, unter die Lupe nehmen, um Ansatzpunkte für Nachverhandlungen zu identifizieren und auf dieser Basis eine ganzheitliche Verhandlungsstrategie entwickeln.


Spielräume zur Kostensenkung nutzen

Häufig nämlich gibt es Spielräume in den bestehenden Verträgen, um Projektteile zur Kostensenkung zu streichen oder zu reduzieren, um alternative Materialien zu geringeren Kosten einzusetzen oder um Effizienzreserven zu realisieren. Auch sollte man das Gespräch mit den Banken suchen, um auf eine Anpassung der Kreditkonditionen hinzuwirken. Hat man ein realistisches Konzept, dürfte es den Lieferanten, Subunternehmen und Banken einleuchten, dass sie besser fahren, wenn sie nachgeben und das Projekt mit Aussicht auf Erfolg weitergeführt wird, als dass sie ihre Forderungen gänzlich abschreiben müssen.

Meist ist es auch kein einmaliges Projekt mit diesen Lieferanten, Subunternehmen und Banken. Dann hilft oft schon der Hinweis, dass ein Entgegenkommen in diesem Fall bei zukünftigen Projekten berücksichtigt wird.


Einer kontrollierten Eskalation nicht ausweichen 

Ebenso bestehen im Verhältnis zu den Kunden Ansatzpunkte, etwa wenn der Auftraggeber nach Vertragsabschluss noch Änderungen beim Projektumfang oder bei den technischen Spezifikationen vorgenommen hat. Dabei sollte man einer kontrollierten Eskalation nicht ausweichen, ohne emotional zu werden. Denn dies dient dazu, die eigene Position zu verdeutlichen und den Nachforderungen Gewicht zu verschaffen.

Auch ein Pain/Gain-Share-Modell kann eine Lösung sein. Dabei teilen sich Auftraggeber und Bauunternehmen das finanzielle Risiko und mögliche Gewinne. Denn die Wirtschaftslage kann sich wieder ändern und die Preise, die jetzt das Projekt verteuern, können auch wieder fallen. Beide Seiten haben so ein gemeinsames Interesse daran, die Kosten zu kontrollieren und die Leistung zu optimieren.  Dieses Modell zur Risiko- und Chancenteilung fördert eine stärkere Zusammenarbeit. Gelingt es so, das Bauprojekt trotz dieser Schwierigkeiten zu realisieren, stärkt das die Partnerschaft zwischen Bauunternehmen, Lieferanten, Subunternehmen, Banken und Kunden.



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