Porenbeton im Superlativ

Das weltweit größte Porenbetonwerk steht in Ungarn

 Eine nachgewiesene Produktionsleistung von 565.000 m³ Porenbeton, mit Tagesspitzen von 2.500 m³ und Monatsspitzen von 65.000 m³, neun Autoklaven für täglich bis zu 405 Formen – das sind die Rahmendaten des riesigen Porenbetonwerks der Xella-Gruppe im ungarischen Gyöngyös. Zahlen, die für sich sprechen und die nicht nur in der Theorie bestehen, sondern tatsächlich in der Praxis erzielt werden. Eine Leistung, die weltweit ihresgleichen sucht.


Im Jahr 1985 wurde das damals noch staatliche Werk in der Nähe von Gyöngyös, rund 90 km nordöstlich der ungarischen Hauptstadt Budapest, in einem Industriepark gebaut. Die Technologie mitsamt den Maschinen und Anlagen kam von der Firma Hebel. Der Standort war günstig: Gleich nebenan befindet sich das zweitgrößte Kraftwerk des Landes – ein Braunkohlekraftwerk. Es lieferte die Flugasche, die ab Sommer 1986 zunächst zur Produktion von Porenbeton eingesetzt wurde. Um jedoch qualitativ hochwertigere Wandbaustoffe produzieren zu können, erfolgte ab 1990 die Umstellung auf Sand. Im Jahr 1992 schließlich wurde das Werk im Zuge der Privatisierung an die Firma Ytong verkauft und weitere zwei Jahre später im Rahmen einer Großinvestition zur Herstellung des Ytong-Kernsortiments umgebaut. Im Ergebnis konnte das Werk in vier Schichten produzieren und rund 430.000 m³ Porenbeton pro Jahr herstellen.

Um die wachsende Nachfrage nach Porenbeton im benachbarten Rumänien bedienen zu können, wurden die Kapazitäten des Werkes nochmals um weitere 100.000 m³ erweitert. Die dafür notwendigen Umbauarbeiten wurden im Januar 2005 im Rahmen einer Großreparatur in nur 24 Tagen durchgeführt. Möglich wurde die Realisierung dieses Projektes durch die Einrichtung einer neuen Schneideanlage. Denn anders als bei den meisten Porenbetonwerken war im Werk in Gyöngyös/Halmajugra nicht die Kapazität der Autoklaven ausschlaggebend für den Produktionsengpass, sondern die Leistungsfähigkeit der Schneideanlage. Zusätzlich wurde in eine vollautomatische Öl- und Formenreinigungsanlage investiert. Das Ergebnis war eine Reduktion der Taktzeit auf unter 3 Minuten pro Form.

Das seit 2003 zur Xella-Gruppe gehörende Werk in Halmajugra ist ein Werk der Superlative: Auf der mehr als 200.000 m² großen Betriebsfläche sind rund 14.000 m² bebaut, 63.000 m² Lagerfläche stehen für Ytong-Porenbetonprodukte zur Verfügung. Produziert werden hier hauptsächlich Plansteine (glatt und NF+GT) in den Rohdichten P1,6-0,3; P2-0,4; P2-0,5 und P4-0,6 mit Längen von 500 mm und 600 mm, Höhen von 200 mm und 250 mm sowie Breiten von 50 bis 375 mm. Rund 90 % der Produktion entsprechen der Steinfestigkeitsklasse P2-0,5. Sonderprodukte wie Stürze, U-Schalen, Ecklochsteine oder Deckenabstellsteine werden ebenfalls hergestellt.

Die Rezeptur

Der Porenbeton des ungarischen Werkes besteht neben Wasser im Wesentlichen aus Quarzsand – in den meisten Produkten bis zu 73 %. Zur Produktion von noch leichteren Steinen wird der Anteil weiter erhöht. Als Bindemittel wird ein Portlandzement eingesetzt. Außerdem werden Kalk und ein Anhydrit in Form von Gips benötigt. Der Gips wird als REA-Gips vom Kraftwerk nebenan bezogen, das außerdem den Strom liefert. REA-Gips ist ein qualitativ hochwertiger Gips, der in den Rauchgasentschwefelungsanlagen von Kraftwerken entsteht. Zusätzlich wird dem Rohgemisch Aluminium zugefügt, das als Treibmittel wirkt. Dazu werden zwei Alu-Pasten mit unterschiedlichen Eigenschaften zusammengemischt und in einem bestimmten Mischungsverhältnis pro m³ Porenbeton verarbeitet.

Die Qualität des Porenbetons ist maßgeblich abhängig von der Feinkörnigkeit des Sandes. Daher wird der Quarzsand vor der Weiterverarbeitung gemahlen. Dies geschieht in einer Kugelmühle, die rund 30 Tonnen Sand pro Stunde im Nassmahlverfahren verarbeiten kann (Abb.  1). Eine weitere, kleinere Mühle steht zusätzlich als Reserve bereit, um Spitzen abzudecken.

Der in der Sandmühle entstandene feine Sandschlamm wird anschließend in einem Zwischenbehälter aufgefangen. Bevor er mit den anderen Rohstoffen vermischt wird, durchläuft jede einzelne Komponente einen eigenen speziellen Mischer mit einem Rührwerk (Abb. 2). Erst kurz vor dem Gießen in die Form fließen die verschiedenen Einzelkomponenten in einem gemeinsamen Behälter zusammen. Als letzter Bestandteil der Porenbetonmischung wird das Aluminium hinzugegeben. Wichtig ist dabei auch eine Überwachung des Temperaturprofils während des gesamten Prozesses.

Das Verfahren

Innerhalb von wenigen Minuten werden die Formen mit der flüssigen Porenbetonmischung befüllt (Abb. 3). Dabei werden die rund 6 m³ fassenden Formen etwa bis zur Hälfte befüllt, damit genügend Platz zur Ausdehnung des Gemischs zur Verfügung steht. Sobald die Formen befüllt sind, wird das Material verdichtet, um unerwünschte Luft-einschlüsse zu beseitigen. Schon nach kurzer Zeit kann mit bloßem Auge beobachtet werden, wie die Mischung auftreibt und schließlich die Form innerhalb kurzer Zeit bis zum Rand ausfüllt. Durch den Einfluss des Aluminiums haben sich jetzt die typischen Poren im Beton entwickelt. Nach Erreichen der endgültigen Füllhöhe fährt die Form innerhalb des Umlaufverfahrens in die Wärmekammer, wo das Material vorhärten kann (Abb. 4). Der gesamte Vorgang von der Verarbeitung der Rohstoffe über das Mischen bis zum Befüllen der Formen wird mit einer speziellen Software gesteuert und überwacht (Abb. 5).

Nach rund 5 Stunden ist die Porenbetonmischung hart genug, um entschalt und geschnitten zu werden. Dieser sogenannte Kuchen wird auf den richtigen Härtegrad geprüft (Abb. 6) und anschließend zunächst vom Boden und den Stirnseiten der Form gelöst (Abb. 7). Zwischen den beiden Seitenteilen der Form hängend, wird der Kuchen jetzt zur Frässtation gehoben. An der Unterseite wird hier das Profil (Nut + Feder) der späteren Steine eingefräst (Abb. 8). Danach wird das Rohmaterial auf der Schneideanlage abgesetzt. Gleichzeitig befindet sich der Kuchen nun auf einem Härterost, der die bis hierhin verbliebenen Seitenteile der Schalungsform als Tragehilfe ablöst. Die Formteile werden wieder zusammengesetzt, vollautomatisch gereinigt und mit Trennmittel benetzt (Abb. 9). Somit hat die Form einen kompletten Umlauf absolviert und kann von neuem befüllt werden. Insgesamt durchlaufen 83 Formen diesen Kreislauf.

Die Weiterverarbeitung des Porenbetonkuchens erfolgt anschließend auf der Schneideanlage. Im ersten Schritt werden Vertikal-Schnitte vorgenommen. Dabei schneiden oszillierende Stahldrähte von unten nach oben durch den Kuchen und bestimmen somit die Dicke der Steine (Abb. 10). Im zweiten Schritt werden durch horizontales Schneiden die Steinhöhe und die Plattenlänge bestimmt. Außerdem werden die unebene Oberfläche abgetrennt und die Seitenteile abgeschnitten. Sie fallen in den Schneidegraben auf ein Förderband (Abb. 11). Die Reste werden mit Wasser vermischt, in einen Rückschlammbehälter befördert und wieder verwertet. Der Rückschlamm wird komplett in neue Porenbetonmischungen eingebracht (rückstandslose Produktion). An der nächsten Station erfolgt die Entfernung der noch verbliebenen, oben auf dem Kuchen liegenden Schicht. Sie wird mittels einer Vakuum-Anlage abgehoben, bevor in die Oberseite des Kuchens Nut und Feder gefräst werden (Abb. 12). Hier können auch Griffmulden für eine leichtere Handhabung der Steine auf der Baustelle eingefräst werden.

Die Kuchen bzw. Steine verfügen jetzt über ihre endgültige Form und kommen zur Härtung in den Autoklaven (Abb. 13). In drei Etagen (Abb. 14) und mit insgesamt sechs Härtewagen – zusammen 18 Kuchen pro Autoklav – werden sie in einen der neun Autoklaven gefahren, die alle über (Zug-)Gleise erreichbar sind. In Spitzenzeiten können so täglich bis zu 3 Härtungsprozesse absolviert und damit also 405 Formen autoklaviert werden. Nach dem Verschließen des knapp 50 m langen und 100 m³ fassenden Autoklaven wird dieser zunächst mit -0,6 bar evakuiert, bevor der Innenraum erhitzt wird und die Porenbetonblöcke mit 12 bar Druck in gesättigtem Dampf aushärten. Zwischen 6 und 8 Stunden lang werden diese Bedingungen im Autoklaven beibehalten. Inklusive des Auf- und Abfahrens der Druckverhältnisse dauert ein Zyklus 8 bis 10 Stunden bis zum vollständigen Aushärten der Produkte. Energie sparen lässt sich dabei durch ein Überströmungsverfahren: Der Drucküberschuss eines Autoklaven kann kurzerhand in einen anderen Autoklaven umgeleitet werden.

Ein Entladekran befördert die Steinblöcke nach dem Autoklavieren auf einen Kipptisch, der die Blöcke um 90° kippt und die Steine so in eine für die abschließende Verpackung gestapelte Position bringt (Abb. 15). Jetzt werden die Blöcke entsprechend der üblichen Verpackungseinheit aufgeteilt, dabei einer Sichtprüfung unterzogen, auf eine Holzpalette gestellt, in die typisch gelbe Ytong-Folie eingeschweißt und mit dem Produktetikett versehen (Abb. 16).

Der kurze Weg vom Autoklaven zur Verpackung des fertigen Produkts ist übrigens eine der vielen Stellen, an denen deutlich wird, auf was es in einem Porenbetonwerk wirklich ankommt – nämlich auf das Know-how. In manch anderen Werken ist es nach dem Autoklavieren notwendig, zusammenklebende Steine voneinander zu trennen. Das erfordert nicht nur zusätzliche Arbeit (z. B. mit einer Trennzange), sondern führt durch Beschädigungen auch zu mehr Bruch. „Mit dem Verkleben von Steinen haben wir keine Probleme“, sagt dazu Werksleiter Gábor Glück. „Durch unsere Erfahrung mit den Rezepturen können wir das verhindern“. Möglich wird das auch durch das werkseigene Prüflabor. Neben Druckfestigkeitsprüfungen, die an Probewürfeln aus jeder einzelnen Form durchgeführt werden, wird hier auch Forschungsarbeit geleistet. Unterstützt wird das Werk dabei von der Technologie- und Forschungsgesellschaft der Xella-Gruppe an den Standorten Brück und Emstal in Brandenburg. Die Grundlagen vieler der erwünschten Produkteigenschaften, wie etwa eine hohe Wärmedämmung bei geringem Gewicht, werden hier geschaffen und im ungarischen Werk optimal umgesetzt. Kein Wunder also, dass das Werk im weltweiten Vergleich „Qualitätsbenchmarking Steinwerke 2010“, in dem Qualitätsstandards wie Festigkeit oder Rohdichte überprüft werden, einen hervorragenden fünften Platz erreichen konnte.

Aussicht

In den Jahren 2007 und 2008 erreichte das ungarische Werk seine bisher höchsten Produktionsmengen. 565.000 m³ Porenbeton wurden hergestellt. Bei derzeit rückgängiger Baukonjunktur wurden die Kapazitäten dem aktuellen Bedarf angepasst. 

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