ZEMENT+BETON

Weltneuheit im Brückenbau

Mit der von der TU Wien entwickelten Klappbrücke gibt es eine weitere österreichische Innovation, die Kosten und Zeit bei der Errichtung von Infrastrukturbauten spart. Auf der S7 werden zwei Brücken über den Lahnbach und die Lafnitz errichtet. Insgesamt wird es 22 Brückenbauten geben, die beiden Klappbrücken sind die größten. Das umweltschonende Bauverfahren der Brücken funktioniert wie ein Regenschirm. „Das ist ein neues Bauverfahren, bei dem wir die Brücke in senkrechter Lage herstellen. Wir können viel Geld sparen, verglichen mit anderen Methoden“, erklärt Prof. Johann Kollegger von der TU Wien, Institut für Tragkonstruktionen/Betonbau.

An beiden Seiten eines Betonpfeilers werden senkrecht Träger montiert, die dann ausgeklappt werden können. Die beiden Träger sind oben, direkt über dem Pfeiler, durch ein Gelenk miteinander verbunden. Mit hydraulischen Anlagen wird dieses Gelenk dann langsam abgesenkt, dabei klappen sich die Träger auf beiden Seiten aus. Erst wenn sie die endgültige Position erreicht haben, wird der Beton eingebracht; bei dieser Methode ist kein Gerüst erforderlich.

Klappbrücken ökologisch schonend und platzsparend

Das verkürzt die Bauzeit und vermeidet vor allem auch größere Eingriffe in die Natur. „Gerade im Gebiet von Lafnitz und Lahnbach war es uns aber wichtig, so schonend wie nur möglich vorgehen zu können“, so Bernhard Streit, Leiter seitens der Asfinag. Das Brückenklappverfahren bringt neben der Schonung der Umwelt beträchtliche wirtschaftliche Vorteile. Die Manipulationsflächen für den Bau der Mittelpfeiler werden gegenüber dem Entwurf mit der Stahlbetonverbundbrücke nicht vergrößert.

Der Senkvorgang der Klappbrücke verläuft langsam und dauert im Schnitt drei bis vier Stunden. Ein Brückenträger ist 36 m lang und 54 t schwer. „Die Klappbrücken wurden deshalb errichtet, weil sie ökologisch schonend gebaut werden können; zudem sind sie sehr platzsparend“, so Streit. Im August 2021 soll der Schnellstraßenbereich fertig sein. Am 1. Juli fand der letzte von insgesamt acht Klappvorgängen – je Brücke sind vier erforderlich – statt. So wie auch bei den vorangegangenen verlief die Absenkung der mehr als 180 t schweren Betonträger für diese insgesamt 117 m lange Lafnitzbrücke erfolgreich. Nach knapp vier Stunden waren beide Träger ausgeklappt. Die Betonelemente für dieses Projekt – insgesamt 660 m³ Fertigteilträger und Druckstreben – lieferte die Franz Oberndorfer GmbH & Co. KG.

Verkehrsentlastung als Ziel

Die S7 (Fürstenfelder Schnellstraße) wird im Südosten Österreichs (Steiermark und Burgenland) gebaut, um das hohe Verkehrsaufkommen von und nach Ungarn, das derzeit oft zu Staus und Verkehrsbehinderungen führt, besser aufnehmen zu können. Nach Fertigstellung der S7 wird die Verkehrssicherheit in der Region durch die Entlastung der Ortsdurchfahrten erhöht. Die Fürstenfelder Schnellstraße mit einer Länge von 15 km im Abschnitt West und
14 km im Abschnitt Ost erfordert neben den 22 Brückenobjekten eine Unterflurtrasse, zwei Wannen, einen bergmännischen Tunnel, zwei Wildquerungen und sechs Durchlässe.

„Der Entwurf für die Spannbetonbrücken unter Anwendung des Brückenklappverfahrens sieht vor, dass die Stege mit einer Länge von 72 m vom Mittelpfeiler aus eingeklappt werden. Hinter den Widerlagern positionierte Mobilkrane können anschließend Fertigteilträger einheben, die mit den Endpunkten der eingeklappten Stege verbunden und auf dem Widerlager abgesetzt werden. Die Fahrbahnplatte wird nach Herstellung der Stege wie bei einer Stahlbetonverbundbrücke mit einem Verbundschalwagen hergestellt“, erläutert Clemens Proksch-
Weilguni, Assistent von Prof. Kollegger.

Die Verwendung von dünnwandigen, vorgespannten Betonfertigteilen mit nachträglicher Ortbetonergänzung bietet den Vorteil, dass während des Klappvorgangs kleinere Kräfte auftreten als bei Herstellung der Klappbrücke mit den endgültigen Bauteilabmessungen. Kleinere Kräfte während des Klappvorgangs erlauben eine wirtschaftlichere Dimensionierung der Knotenpunkte, die die gegenseitigen Verdrehungen von Druckstreben und Brückenträgern während des Einklappens aufzunehmen haben. „Das Brückenklappverfahren ist besonders vorteilhaft bei Brücken mit hohen Pfeilern, weil in diesem Fall die Aufwendungen für die Errichtung eines Hilfspfeilers entfallen. Die Druckstreben reduzieren die Spannweite und ermöglichen beträchtliche Kosteneinsparungen“, erläutert Prof. Kollegger.

CONTACT

Dr. Gisela Gary

Leitung Zement+Beton

www.zement.at/services/ publikationen/zement-beton

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