3D-Druck von Stadtmobiliar an der TU Eindhoven

An der TU Eindhoven forscht und lehrt Prof. Cristina Nan u. a. zum 3D-Druck von Beton. Darüber hinaus beschäftigt sie sich mit sozialen, gesellschaftlichen und nachhaltigen Fragen dieser verhältnismäßig neuen Technologie. Der komplette Beitrag ist ebenfalls im Jahrbuch Beton Bauteile 2023 zu lesen (nur auf Deutsch), erhältlich in der Profil-Buchhandlung des Bauverlages.

Volker Ruitinga ist Inhaber von Vertico, einer im niederländischen Eindhoven ansässigen Firma, die sich mit dem großmaßstäblichen Ausdruck von 3D-Objekten beschäftigt. Das Unternehmen ist in diesem Bereich ein bedeutender Dienstleister der TU Eindhoven (TU/e), die in ihren Laboren in der Regel nur kleinere 3D-Drucke ausführt.

Ruitingas Einstellung zur Qualität kombiniert mit dem Fachwissen, an welchen „Stellschrauben man drehen muss“, ist genau das, was Prof. Cristina Nan als Teil ihrer Forschungen zum 3D-Druck stark interessiert: Worin besteht der menschliche Einfluss beim 3D-Druck? Alle Welt gibt vor, dass man nur eine Vision haben, einen entsprechenden Plan zeichnen und vielleicht noch einen Algorithmus programmieren muss. Danach kann man sich zurücklehnen, denn der Rest wird von einem Roboter übernommen. Aber dem ist nicht so: Wie bei einem klassischen Handwerk gibt es auch im Materialdruck menschliche Faktoren. Erfahrungswerte und intuitive Lösungsstrategien des Bedienpersonals sind nötig, um mit dem Arbeitsgerät – dem Roboter – das gewünschte Ergebnis zu erzielen.

 

Beispiel: Leichtes Ruckeln

Auf einem ebenen Untergrund startend beginnt der Drucker, eine komplexe Figur abzufahren. Diese sich wiederholende, irgendwie auch kreisende Bewegung erinnert insbesondere während der erdbodennahen Anfangszeit durchaus an eine Carrerabahn, auf der ein Rennwagen einsame Runden dreht. Unterstützt wird dieser Eindruck sicherlich auch durch eine vergleichbare Druckkopfgeschwindigkeit von rund 17 cm/s. Bei dem Ausdruck, bei dem der Autor anwesend war, beschrieb der Druckkopf an mehreren Stellen eine maximal enge 180°-Kehre, sodass die angelegten Druckstreifen unmittelbar nebeneinander lagen. Allerdings ruckelte der Druckkopf bei einer Kehre regelmäßig, nicht jedoch bei allen anderen. Der darauf angesprochene Maschinenführer erläuterte, dass an dieser Stelle die Fortbewegung des Druckkopfes von einem Roboterarmgelenk auf ein anderes überging.

Üblicherweise wird eine Kurvenbewegung überwiegend von einem Gelenk allein ausgeführt. In dem angefragten Fall war die Bewegungsrichtung unter mechanischen Gesichtspunkten jedoch so ungünstig, dass es dabei zu einem solchen Gelenkwechsel kam. Das Ruckeln entstand durch die interne Überwachung: Die Rechnersteuerung erkennt, dass sich der Arm mit dem ersten Gelenk zu weit in die falsche Richtung bewegt hat. Der Impuls wird vom Gelenk zurückgenommen und stattdessen ein anderes Gelenk aktiviert. Diese Korrektur erfolgte im Bereich eines Pixels, also in der maximalen Auflösung, und ist am gedruckten Endergebnis nicht nachweisbar.

 

Beispiel: Dynamische Mischungskorrektur

Spannend sind auch die Steuermöglichkeiten, die die Techniker nicht nur am Roboter selbst, sondern auch bei der dazugehörigen Verfahrenstechnik haben. So wird Volker Ruitinga bei dem neuerlichen Ausdruck der monierten Säule die Mischung des Druckmörtels on-the-fly, also während des Ausdrucks, ändern und den Härtemittelanteil erhöhen. So werden zunächst die senkrecht aufeinanderliegenden Mörtellagen in normaler Mischung gefahren, ab dem Moment der beginnenden Auskragung und dem Entstehen eines gewissen Lagenversatzes wird der Anteil dieses Additivs dann erhöht. So will Volker Ruitinga unschönen Unregelmäßigkeiten in der Lagenbildung vorbeugen.

 

Urban Furniture

In dem Hochschulprojekt des Sommersemesters 2022 ließ Prof. Nan ihre Studierenden Urban Furniture, also Stadtmobiliar entwickeln. Allen Objekten gemein ist, dass sie die Neugierde von Passanten wecken und zum Nähertreten einladen sollen; dadurch soll automatisch ein kommunikativer Treffpunkt entstehen. Gleichzeitig war aber auch zu beachten, dass die Entwürfe mit der verfügbaren 3D-Drucktechnologie zu realisieren waren. Dies galt sowohl für die möglichen Geometrien in Abhängigkeit vom Material wie auch für das Erstellen eines geeigneten Algorithmus. Die erwähnten Stop-and-go-Prozesse waren beispielsweise zu vermeiden.

Zwei Objekte wurden schließlich umgesetzt. Zunächst wurde ein Bauteil einer additiv organisierten Sitzlandschaft ausgedruckt. Deren Elemente kann man als einzelne Puzzleteile beschreiben, die ineinandergesteckt werden können. Alternativ können die runden Aussparungen anstatt mit einem Anschlussstück mit einem flachen „Stopfen“, einer vertieften Sitzfläche gefüllt werden. Zwei dieser hockerartigen Stopfen waren bereits ausgedruckt.

Parkbank mit Hüftschwung

Das zweite Objekt kann man sich – bildlich gesprochen – als Zahnpastastreifen vorstellen, der, aufgetragen auf eine Zahnbürste, eine Ausbauchung besitzt. Federico Chiavegati, ein am Entwurf beteiligter Student, beschreibt die Idee als eine Synthese der Vorstellungen, die man zum einen vom massiven Material Beton und zum anderen von der gefühlten Fragilität des 3D-Drucks hat. Die Massivität haben er und seine Mitstudierenden in der Großfigur der „gerippten Betonwurst“ dargestellt. Ihre Hoffnung ist, dass diese vielleicht einmal auf einer grünen Wiese liegen und Passanten irritieren wird.

Diese Vorstellung geht in die Richtung der Werke des Künstlers Erwin Wurm: So hatte dieser 2003 mit seinem „Fat House“ große Aufmerksamkeit erregt. Dabei handelt es sich um ein kleines Haus, dessen pralle Wände förmlich unter dem überforderten Dach hervorquellen. Dem fragilen Bild des 3D-Drucks wird dagegen an den beiden Stirnseiten Rechnung getragen, die an das Schnittbild einer Orange erinnern. Es gibt zahlreiche radiale Doppelstreben, die vom Zentrum geradlinig nach außen laufen, dort einen gezackten Teilkreis bilden und dann in eine weitere schnurgerade Doppellinie übergehen. Etwa ein Viertelkreis fehlt dieser Orangenscheibenfigur: Diese Kerbe bildet die künftige Sitzfläche.

 

Technik

Vertico arbeitet mit einem ABB-Roboter, der zusätzlich auf einer Schiene bewegt werden kann. Damit wird sein Aktionsradius von radial etwa 3,50 m in einer Dimension auf über 10 m erhöht. Es wäre also somit leicht möglich, eine Fertigteilwand von ca. 3,50 m Höhe und ca. 10 m Länge zu drucken. Der eigentliche Betondruckkopf ist eine Eigenentwicklung von Vertico. Über einen Schlauch ist er mit einer digital gesteuerten Mischanlage verbunden, in der Druckmörtel kontinuierlich frisch angesetzt wird. Dazu werden aus einem kleinen, unmittelbar danebenstehenden Silo Trockenmörtel über einen Schneckentrieb hinzugegeben und auch weitere Additive – wie Härter – automatisch beigefügt. Immer wieder schaltet sich ein Vibrator zu, der über einen Rütteleffekt dafür sorgt, dass Luft aus der Mischung entweichen kann.

Bei dem Projekt Urban Furniture saß auf dem Druckkopf eine Düse mit 18 mm Öffnungsdurchmesser. Mit ihr sind Betonspuren zwischen 20 und 40 mm darstellbar. Hier erzeugte die Anlage einen 26 mm breiten Mörtelstreifen. Die Druckgeschwindigkeit betrug exakt 164 mm/s. Der Druckkopf beschrieb einen geschlossenen Rundkurs, bei dessen Abschluss der Roboter die Düse um den Schichthöhenbetrag anhob und sodann die Figur erneut vollzog. Insgesamt, so schätzen die Techniker, haben sie wohl an dem Tag, an dem die zwei Urban-Furniture-Elemente und ein Stützenelement für die TU/e produziert wurden, zwischen 600 und 700 kg Trockenmörtel verarbeitet.

 

Menschliche Unterstützungsarbeiten

Prof. Cristina Nan richtet ihr Augenmerk auf die weiterhin unentbehrlichen menschlichen Unterstützungsarbeiten für den 3D-Druck. So müssen beispielsweise für eine Druckausführung bei Vertico drei Arbeitskräfte anwesend sein: Ein Mitarbeiter kontrolliert die Steuerung, ein anderer steht für kurzfristige Handgriffe an der Druckdüse bereit und ein weiterer behält die Mischanlage im Blick. Denn die Betondüsen verfügen über keine Schließfunktion. Sobald ein Ausdruck beendet ist, stoppt die Pumpe zwar den Vortrieb, infolge des Rohrdrucks tritt aber immer noch eine gewisse Zeit Mörtel vorn aus der Düse aus. Das Material muss von einem Mitarbeiter mit einem Schäufelchen und einem Eimer aufgefangen werden, da es selbstverständlich nicht auf das Objekt tropfen soll. Anschließend ist es seine Aufgabe, den Mörtelschlauch vor dem Erstarren des Materials komplett zu entleeren und natürlich auch den Mischer zu reinigen.

Das Teure am 3D-Druck ist weder das verarbeitete Material – das ist tatsächlich verhältnismäßig günstig – noch die Amortisation des Roboters. Kostenintensiv ist auch bei dieser Technologie weiterhin die menschliche Arbeitskraft. Denn sie erfordert hochspezialisierte und kompetente Techniker, die wissen, was sie tun.

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