Neuer Kanzlerplatz in Bonn – Statisch-konstruktive Herausforderungen und Lösungen für die Fassade

Wenn anspruchsvolle individuelle Architektur auf ein lastabtragendes Architekturbeton-Fassadensystem trifft, sind keine Standardlösungen mehr möglich. Hohe innovatorische Maßstäbe bei Statik, Werkplanung und Montage sind gefragt. Das Fassadenkonzept der Kanzlerplatz-Bebauung in Bonn musste sowohl in der Planung als auch in der Umsetzung in vielfacher Hinsicht bis an die Grenzen geführt werden.

 

Gebäudearchitektur

Eine Besonderheit des Gebäudes liegt in seiner tragenden Fassade aus Architekturbeton-FT-Elementen mit weißgrauer Oberfläche. Die Geometrie bzw. die Grundrisse der Gebäude bauen grundsätzlich auf einem ungleichmäßigen Grundriss mit fünf unterschiedlichen Kantenlängen/Ansichten auf. Dabei wurde nur ein rechter Winkel verwendet. Alle anderen Gebäudeecken bestehen aus unterschiedlich großen stumpfen Winkeln. Die Gebäudehöhen sind mit 6-7 Geschossen geplant worden. Die lastabtragenden Fassadenelemente variieren in der Geschosshöhe mit von dünn- auf dickformatig wechselnden Stützenquerschnitten und haben dabei trapezförmige Geometrien. Das gleiche Wechselspiel besteht in den horizontalen Brüstungsriegeln. Dadurch wird die Fassade
insgesamt außerordentlich plastisch gestaltet.

Eine kontrollierte technische Bearbeitung der Architekturbetonelemente
wurde dadurch extrem aufwendig und konnte nur mit einem zu 100 % ausgearbeiteten 3-D-Modell erreicht werden. Die Fassade besteht im Grundsatz aus einer zusammengesetzten Fertigteil-Pfosten-Riegel-Konstruktion (TT-Elemente) und Einzelstützen mit der Betongüte C50/60.

 

Statische und planerische Herausforderungen

Durch die einzigartige Elementgeometrie aus den Architekturansprüchen
ergaben sich folgende statische Hauptherausforderungen:

Lasteinleitung der Deckenlasten in die Stützelemente mit thermischer
Trennung: Es gab keine zugelassenen Standardelemente wegen zu geringer Lastabtragungsmöglichkeiten. Sonderlösungen mussten entwickelt werden.

Lastübertragung der FT-Elemente in den Stößen auf Deckenebene: Alle Koppelfugen konnten nur unter Ausnutzung von neuesten Forschungsergebnissen mit Mörtelfugen ausgeführt werden. Stahllösungen mussten aufgrund von Montageansprüchen verworfen werden.

Extrem hohe Ansprüche an die Bewehrungstechnik der FT-Elemente:
Aufgrund von hohen Bewehrungsgraden, RahmeneckenAusbildungen und Isokorb -Einbindungen war dies ohne eine
3D-Bewehrungsplanung nicht machbar.

Dies ist nur ein kleiner Einblick in die vielen verschiedenen konstruktiven
Ansprüche, welche bei der Planung und Umsetzung dieses Bauvorhabens
zu berücksichtigen waren.

In dem Vortrag wird dargestellt, wie eine theoretische Ausarbeitung (also das Planerische/ Architektonische) in die Praxis umgesetzt wurde und wie ein gutes Zusammenwirken zwischen Planungsbüro, Prüf-ingenieur und ausführendem Fertigteilwerk bei Sonderkonstruktionen erfolgreich durchgeführt werden kann.

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