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64. BetonTage: Branchentreff der Betonfertigteilindustrie zeigt Zukunftsthemen

Jedes Jahr im Februar trifft sich die Betonfertigteilindustrie auf den BetonTagen in Neu-Ulm. 2020 fand der Branchenevent bereits zum 64. Mal statt und präsentierte sich mit neuen Inhalten, Formaten und Zielgruppen sowie einem zusätzlichen Kongresstag. Knapp 2.300 Teilnehmer kamen vom 18.-21. Februar 2020, dem guten (Bau)Wetter und der Angst vor dem Corona-Virus zum Trotz, zur Traditionsveranstaltung ins Kongresszentrum Edwin-Scharff-Haus. Unter dem Motto „Betonbau der Zukunft – leicht, ressourceneffizient, CO2-neutral“ informierten sie sich über die neuesten Entwicklungen und Trends rund um das Bauen mit Beton.

Blick in die Zukunft des Bauens

Soviel ist sicher: Das Bauen der Zukunft wird ein anderes Bauen als heute sein. Ressourcenschonender, energieeffizienter, leichter, schlanker und recycelbar, so müssen die Betonbauteile von morgen sein. Doch wie kann die Baubranche die derzeitigen baulichen Herausforderungen angehen und gleichzeitig weniger Rohstoffe dabei verbrauchen? Wie können die Baustoffe und Bauabläufe weiter optimiert werden, um CO2-Emissionen zu reduzieren? Mit diesen zentralen Fragestellungen beschäftigte sich auch das Fachprogramm der 64. BetonTage. Zahlreiche Referenten aus Industrie und Forschung zeigten in ihren Beiträgen richtungweisende Entwicklungen in der Betontechnologie, der Verfahrens- und Produktionstechnik. Vorträge zu faserbewehrten Betonelementen, zu neuen Betonen, alternativen Binde- und Zusatzmitteln sowie zu Recyclingbeton seien exemplarisch genannt und ließen erahnen, „wohin die Reise geht“.

Das große Interesse an Zukunftsthemen zeigte sich auch an der hohen Auslastung im Podium „3D-Druck Spezial“, in dem renommierte Universitäten ihre Forschungsergebnisse präsentierten. Und die auf Nachhaltigkeit fokussierten Podien „Carbon-Anwendungen in der Praxis“ und „Den CO2-Rucksack erleichtern – Umweltgerechtes Bauen mit Beton“ waren so stark nachgefragt, dass viele der Teilnehmer sich mit einem Stehplatz zufriedengeben mussten.

Welche Anstrengungen die Zementindustrie als einer der größten CO2-Produzenten weltweit zur Verbesserung ihres ökologischen Fußabdrucks aktuell unternimmt, zeigte der Co-Eröffner Dr. Martin Schneider, Verein Deutscher Zementwerke, mit seinem klaren Bekenntnis der Branche, „den Schalter umzulegen“ und ganz neue Technologien voranzutreiben.

Bei der Eröffnung des zweiten Kongresstages stellte Prof. Anders Levermann vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung allein anhand der sich abzeichnenden physikalischen Veränderungen aufgrund des Klimawandels die Notwendigkeit der Dekarbonisierung und Limitierung des CO2-Ausstoßes „auf Null bis 2050“ als unumgänglich dar. Dr. Dominik von Achten, der neue Vorstandsvorsitzende der HeidelbergCement AG, antwortete anschließend direkt auf die einführende Faktendarstellung. Er ging auf die stofflichen Optionen, den CO2-Ausstoß zu reduzieren, ein und stellte mit Carbon-Capture-Technologien auch eine disruptive Vorgehensweise vor, die durch das Auffangen und Speichern oder Umwandeln und Nutzen von CO2 eine dekarbonisierte Zement- und Betonproduktion ermöglichen könnte. Mehrere Pilotanlagen in Kanada und Europa gehen aktuell in Betrieb, die nächstgelegene in Heidenheim-Mergelstetten, wo vier Zementhersteller kooperieren und das aufgefangene CO2 in synthetisches Kerosin umwandeln, das fossilen Kraftstoff am Flughafen Stuttgart ersetzen soll. Auch die nachfolgende Diskussion zwischen dem renommierten Klimaforscher, dem global agierenden Branchenvertreter sowie dem Auditorium war von Aufbruchsstimmung geprägt.

Dänemark – Vorbild für das systemische Bauen mit Betonfertigteilen

Besonders eindrucksvoll zeigte sich am diesjährigen Gastland Dänemark, wie wertschöpfendes Bauen mit Betonbauteilen zum Durchbruch kommt. Claus Bering, Vorstand des internationalen Baustoffkonzerns CRH und auch dessen Dänemark-Chef sowie Präsident des dänischen und des europäischen Betonfertigteilverbandes, zeigte dies am eigenen Unternehmen auf. Er wies auch auf die vielen Beispiele für modernes und nachhaltiges Bauen hin, die auf dem BIBM-Kongress vom 15. bis 17. November 2020 in Kopenhagen auf der Agenda stehen werden.

Know-how für die Betonfertigteilindustrie

Wichtige fachliche Impulse für die Hersteller von vorgefertigten Betonbauteilen, Kernzielgruppe der BetonTage, lieferten wieder die produktspezifischen Podien am Nachmittag. Sie wurden mit Unterstützung der einschlägigen Fachvereinigungen geplant. Das Themenspektrum reichte von Vorträgen zum konstruktiven Betonfertigteilbau, zu Betonprodukten des Straßen-, Landschafts- und Gartenbaus über den Tief- und Kanalbau sowie Leichtbeton bis hin zu Betonwerkstein und Kleinkläranlagen. Innovative Produktions- und Herstellungsverfahren, neueste Entwicklungen aus dem Bereich der Betontechnologie und der Normung wurden hier präsentiert. Ausgewählte Objektberichte aus dem In- und Ausland ergänzten das Programm. Eines der aufgezeigten Leuchtturmprojekte war das Nationalmuseum von Katar in Doha – Titelmotiv der 64. BetonTage –, bei dem rund 80.000 dünne Fassadenelemente aus faserbewehrtem Beton die Skulptur einer Wüstensandrose nachformen. Prof. Dr.-Ing. Thomas Winterstetter vom verantwortlichen Planungsbüro Werner Sobek stellte das Projekt als Chefplaner persönlich vor.

Mit konkreten Fragestellungen aus dem Betriebsalltag befasste sich der Praxis-Workshop. Vorträge und Vorführungen zu Prüfverfahren zur Herstellung von Beton mit Zusatzmitteln, zur Bestimmung des Chloridgehaltes und Elektrowiderstandes sowie von Karbonatisierungsvorgängen standen auf der Agenda.

Schulterschluss mit der Bauwirtschaft

Mit dem Ziel, den Kongress für neue Zielgruppen wie etwa Bauunternehmer zu öffnen und Inhalte für alle Beteiligten der Wertschöpfungskette des Bauens mit Beton und Betonbauteilen in das Programm zu integrieren, wurde erstmals der „Zukunftstag Bauwirtschaft“ durchgeführt. Als Partner konnte der Verband Bauwirtschaft Baden-Württemberg gewonnen werden. Dessen Präsident Markus Böll gab in seiner Begrüßung auch gleich den offiziellen Startschuss für solid unit, das neue Netzwerk für den innovativen Massivbau Baden-Württemberg.

Der Zusammenschluss von Vertretern der Bauwirtschaft und der Baustoffindustrie sowie von Hochschulen, Forschungsinstituten und Kammern hat das Ziel, durch eine engere Vernetzung der Partner Innovationen in Forschung und Entwicklung weiter voranzutreiben und verstärkt auch auf den Baustellen zum Einsatz zu bringen. Im Zentrum des Netzwerkes stehen dabei so genannte Netzwerk-Teams, die jeweils in speziellen Themenbereichen zusammenarbeiten, wie zum Beispiel CO2-Einsparung, Ressourcenmanagement oder Digitalisierung auf der Baustelle.

Die baden-württembergische Wirtschaftsministerin Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut begrüßte in ihrer anschließenden Eröffnungsrede des Zukunftstages diesen Schritt: „Umweltschonende Produkte und Produktionsmethoden können die Wettbewerbsfähigkeit unserer Bauwirtschaft maßgeblich erhöhen. Effizienteres Bauen leistet außerdem einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz und zur Schaffung von bezahlbarem Wohnraum. Dabei können Kooperationen und Netzwerke wie solid unit einen großen Mehrwert schaffen.“ Dies müsse im Übrigen baustoffneutral geschehen, um die Vorteile aller Bauweisen ausschöpfen zu können, so die Wirtschaftsministerin.

Der Nachmittag stand ganz im Zeichen der fachlichen Weiterbildung und umfasste mehrere parallele Podien mit Vorträgen rund um den Hoch-, Tief- und Kanalbau. Neue Ansätze für das Innovations- und Personalmanagement sowie arbeitsrechtliche Fragestellungen wurden im Podium „Wirtschaft und Recht“ behandelt.

Innovationsplattform für die Zulieferindustrie

Ein wesentlicher Bestandteil der BetonTage ist die begleitende Ausstellung. Unternehmen aus der Zuliefer-, Maschinen- und Softwareindustrie präsentieren ihre Dienstleistungen und Produkte. Sie war mit 160 Ständen wieder vollständig ausgebucht. Den Preis für den interessantesten Stand erhielt die Villa Rocca GmbH, Viernheim. Die besten Neuentwicklungen wurden mit dem Innovationspreis der Zulieferindustrie Betonbauteile prämiert. Diesjähriger Gewinner ist die BPB Beton- und Prüftechnik Blomberg GmbH & Co. KG, Blomberg, mit ihrem Öko-Streugranulat, das als Schutz beim Transport und bei der Lagerung von Terrassen- und Gehwegplatten eingesetzt wird. Der zweite Platz ging an die Vollert Anlagenbau GmbH aus Weinsberg. Sie wurde für ihr MOTUS-Bausystem, ein neuentwickeltes erdbebenfestes Verfahren zur Herstellung von vorgespannten Hohldecken, ausgezeichnet.

Mit der neuen Präsentationsplattform „Forum Innovation“, moderiert von BFT-Chefredakteur Silvio Schade, fanden die Aussteller erstmals auch Platz im offiziellen Programm. Hier konnten sie in Kurzvorträgen ihre Produkte für die Betonfertigteilbranche vorstellen. Ein sehr großer Zuspruch belohnte die innovativen Präsentationen.

Impulse für die Architektur

Die BetonTage verstehen sich nicht nur als Weiterbildungsplattform für die eigene Branche, sondern bringen auch Planern und Architekten das Bauen mit Beton und Betonbauteilen näher. Rund 150 Tragwerksplaner besuchten ein eigens für sie konzipiertes Podium am vierten Kongresstag, rund 500 Architekten waren im Podium „Beton in der Architektur“ zu Gast. Namhafte, international arbeitende Büros, aber auch junge Architekten präsentierten ihre realisierten Projekte und berichteten über ihre Erfahrungen im Umgang mit dem Baustoff. Prof. Dr.-Ing. Werner Sobek, Werner Sobek AG, und Michael Rathgeb, Managing Director bei ingenhoven architects, Düsseldorf, waren die prominenten Eröffnungsredner, die den Tag unter dem Leitthema „Nachhaltige Architektur“ eröffneten.

Neben den Unternehmen aus der Zulieferindustrie hatten am zusätzlichen vierten Kongresstag erstmals auch die Hersteller von Betonbauteilen die Gelegenheit, ihre Produkte in der begleitenden Ausstellung sowie in Kurzbeiträgen im „Forum Innovation“, moderiert von BFT-Redakteurin Karla Knitter, zu präsentieren. Ein Konzept, das von den teilnehmenden Unternehmen positiv aufgenommen wurde und für das nächste Mal weiterentwickelt werden soll.

Blick über den Tellerrand

Auch auf den 64. BetonTagen durfte der „Blick über den Tellerrand“ im Programm nicht fehlen. Neurowissenschaftler Dr. Henning Beck gewährte als Keynote-Speaker am Eröffnungstag einen spannenden Einblick in die fehlerhafteste und gleichzeitig innovativste Struktur überhaupt auf der Welt: das Gehirn. Unterhaltsam, praxisnah und anschaulich übertrug er die Erkenntnisse der Hirnforschung auf alltägliche Themen und zeigte, wie wir die Tricks des Gehirns ergänzt durch künstliche Intelligenz für besseres Denken und neue Ideen nutzen können.

Wie wichtig gesunder Menschenverstand ist, demonstrierte auch der „Besondere Beitrag“ am Mittwochabend. Internetexperte Cem Karakaya illustrierte auf unterhaltsame Weise das Thema Cyber-Kriminalität. Er hielt den Teilnehmern den Spiegel vor Augen und zeigte, dass das größte Risiko „die menschliche Firewall“ ist. Nicht das Internet sei gefährlich, sondern der Mensch, der es nutzt. Er sei die größte Schwachstelle. Und so blieb bei allem Humor doch manchem und mancher das Lachen auch ein wenig im Halse stecken.

Branchentreff mit Tradition

Die BetonTage bieten jedoch mehr als nur Wissenstransfer. Der fachliche und persönliche Austausch mit Kollegen aus dem In- und Ausland wird auf dem familiären Branchentreff großgeschrieben.

Und daher boten auch die 64. BetonTage wieder genügend Möglichkeiten zum Netzwerken, ob in der Ausstellung, den Kaffeepausen, beim Mittagessen, im Café-BFT des Medienpartners BFT International, dem Ausstellerevent „Fairbinden“ oder beim wie immer entspannten Galadinner im Hotel Maritim, wo jedem der rund 600 Teilnehmer der Abend auch mit dem Gastgeschenk des dänischen Kollegenverbandes, dem Premium-Lakritz Bülow aus Kopenhagen, versüßt wurde.

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