Die Fertigteilspirale – Wohnturm „De Helix“
in Groningen

Ein Turm, der gleichzeitig ein Beispiel guter deutsch-niederländischer Zusammenarbeit ist – dank intelligenter, zielorientierter Planung, Produktionsweise und Abwicklung konnte mit der Fertigteilspirale „De Helix“ in Groningen eine schnelle und gelungene Betonfertigteilkonstruktion verwirklicht werden. Der komplette Beitrag inkl. Bautafel ist im Betonbauteile Jahrbuch 2021 zu lesen.

Ein Turm zwar, aber kein „Turmbau zu Babel“, sondern ein Beispiel guter deutsch-niederländischer Zusammenarbeit – dank konstruktiver, zielorientierter Planung, intelligenter Produktionsweise und generalstabsmäßiger Abwicklung konnte trotz enger innerstädtischer Platzverhältnisse eine schnelle und gelungene Betonfertigteilkonstruktion verwirklicht werden.

Als aufstrebender Universitätsstandort mit zunehmender Attraktivität für Studenten (47 % der Bevölkerung sind 30 Jahre oder jünger) steigt in Groningen auch der Bedarf an erschwinglichen Wohnungen. Entsprechend wurde schon 2016 ein Wettbewerb für eine zentrumsnahe Appartementanlage ausgeschrieben. Diesen Wettbewerb gewannen nach ausgiebiger Auseinandersetzung mit dem Umfeld und vielfältigen Entwurfsüberarbeitungen schließlich De Unie Architecten aus Groningen mit ihrem Turm. Architektonisches Highlight des neuneckigen Grundrisses ist das Fliesenbild und die voll verglasten Gemeinschaftsräume für jede Etage, die sich, ausgehend vom ebenfalls voll verglasten, über zwei Etagen erstreckenden Eingangsbereich, spiralförmig umlaufend nach oben schlängeln. Diese Kurve, die sich mit konstanter Steigung um den Mantel des Baukörpers windet, gab dem Turm letztlich seinen Namen „De Helix“.

Konzeptentwicklung

Aufgrund der Wertschätzung von Betonfertigteilen kam sehr bald das Spannbetonwerk Duha-Fertigteilbau GmbH aus Haselünne wegen seines großen Erfahrungsschatzes im konstruktiven Fertigteilbau ins Gespräch. In den folgenden gemeinsamen Besprechungen überzeugte Duha mit seinen Umsetzungs- und Konstruktionsvorschlägen, sodass schließlich Mitte 2018 das komplette Fertigteilkonzept an das Haselünner Fertigteilwerk vergeben wurde. Die Fertigteile für den rund 70 m hohen Turm wurden vollständig bei der Duha in Haselünne gefertigt und innerhalb von weniger als 12 Monaten montiert. Die Herausforderungen bei diesem Projekt waren vielschichtig: zum einen die geforderte Erdbeben- und Tsunamisicherheit der Konstruktion (statisch umgesetzt durch eine Pfahlgründung), dazu der architektonische Anspruch bezüglich des genau vorgegebenen mehrfarbigen Fliesenbildes und schließlich die Logistik aufgrund der engen Baustellensituation. Letzterem war daher die Forderung geschuldet, ohne den Einsatz von Gerüsten und Steigern zu bauen.

Zunächst sah die Planung eine Sandwichfassade mit einem Klinker oder Riemchen vor. Im Zuge der Planungsgespräche mit dem Fertigteilwerk Duha wurde daraus zunehmend ein „echtes“ Fertigteil mit Dämmung, Leerrohren, Steckdosen, Fenstergrundrahmen und schließlich mit integriertem Fliesenbild. Darüber hinaus wurden auch alle Innenwände als 16 cm starke Massivwände und die Deckenkonstruktion als passgenau zugeschnittene Elementdecke ausgeführt und von Duha geliefert. Über entsprechende Aussparungen in den Decken wurden alle Versorgungsleitungen hierauf verlegt.

Produktionsablauf

Die Abmessungen der einzelnen Sandwichelemente betrugen 9,30 x 2,99 x 0,5 m (L x H x B). In einem ersten Schritt wurden daher vor der Produktion Fertigungstische vorbereitet, um zunächst die Fliesen verlegen zu können. Bevor jedoch mit dem Einlegen der Fliesen begonnen werden konnte, mussten die Fliesenpakete, die herstellerseitig bereits mit Ziffern gekennzeichnet waren, sortiert werden. Um Verwechslungen zu vermeiden, wurden die Ziffern 6 und 9 ausgelassen. Die Fliesen mussten dann numerisch dem individuellen Muster der Wand zugeordnet werden. Zum Einsetzen der Stahlrahmenform für die Fensterausschnitte wurde die genaue Position bestimmt, um diese in der Vorsatzschale zu befestigen. Schließlich wurden die Fliesen gemäß dem vorgegebenen Muster der Architekten komplett eingelegt.

Im nächsten Schritt wurde der aufgrund der hohen Anforderungen voll verschweißte Bewehrungskorb der Vorsatzschale eingelegt. Für die Fensterkästen wurden Styroduraussparungen zugeschnitten, eingesetzt und die Styrodurstöße versiegelt. Das Betonieren der Vorsatzschale erfolgte mit Beton C50/60. Um dem hohen Anspruch der Wärmedämmung gerecht zu werden, wurde die Styrodurdämmung mit Thermoankern fixiert. Danach erfolgten das Einlegen des Bewehrungskorbes für die Tragschale, das Verlegen der Leerrohre und der Einbau der Steckdosen sowie weiterer Einbauteile. Bei der Betonage der Tragschale und dem Verdichten und Glätten des Betons musste sehr umsichtig und sorgfältig gearbeitet werden. Der Anspruch an die Innenseite war, diese „malerfertig“ zu erstellen.

Die ausgehärteten Fertigteilwände wurden nach dem Ausschalen direkt in Innenladerpaletten abgestellt. Im nächsten Arbeitsgang fand nun die Verfugung statt. Danach wurden die Wände abschließend kontrolliert, gegebenenfalls kosmetisch nachbearbeitet und zur Verladung freigegeben.

Wirklich „fertige Fertigteile“ geliefert

Für die Logistik war vorgesehen, dass sich jeweils eine Etage in der Produktion, eine weitere Etage abrufbereit in der Verladung und eine Etage auf der Baustelle befinden sollte. Es war geplant, dass der Fensterbauer die Fenster mit den Fensterbänken auf der Baustelle einsetzt und endmontiert. Da – wie eingangs beschrieben – die Baustellensituation sehr beengt war, entschied man sich jedoch schon nach der ersten Fenstermontage, diese ins Fertigteilwerk nach Haselünne zu verlegen. Dies wurde kurzfristig umgesetzt und im Werk umorganisiert. Im weiteren Verlauf stellte sich dieses Vorgehen als die richtige Entscheidung heraus, um dem hohen Qualitätsanspruch gerecht zu werden.

Das Kompensieren der einzelnen umfangreichen Arbeitsschritte im Werk Haselünne unter fast idealen witterungsunabhängigen Bedingungen erfüllte den hohen Qualitätsanspruch des Bauherrn und der Architekten. Darüber hinaus führte es zur Entzerrung der innerstädtischen Baustellensituation und zur Beschleunigung der gerüstfreien Montage. Im Durchschnitt konnte alle neun Tage eine Etage fertiggestellt werden. Daher konnte nach der Fertigstellung der ersten sechs Etagen bereits mit dem Innenausbau begonnen werden und so frühzeitig ein Musterappartement zur Besichtigung zur Verfügung stehen.

Eine Komplettlösung

Ergänzend zum Appartementturm musste – den niederländischen Fortbewegungsgewohnheiten geschuldet – ein „Fietsenkelder“ (Fahrradkeller) harmonisch in das abfallende Gelände an den Turm gebaut werden. Dort wurde durch Duha eine Waschbetonfassade in demselben dunklen Splitt ausgeführt wie die Außentreppenanlage.

Diese komplette Fertigteillösung mit ihren wartungsfreien Fugen führte zu einer kurzen Gesamtbauzeit von April 2018 bis Januar 2020 und ermöglichte eine schnelle Nutzung des Gebäudekomplexes. Zur Realisierung des Turms als Niedrigenergiehaus wird Erdwärme genutzt. Um die Luftdichtigkeit des Gebäudes zu überprüfen, wurde abschließend eine Blower Door Messung vorgenommen. Nicht nur wegen ihrer Höhe ist die Helix damit wirklich ein herausragendes Gebäude im Stadtbild von Groningen geworden.

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