Energietübbing: Der Tunnel als Wärmelieferant

Beim Ausbau der Eisenbahnachse München-Verona wurde der Tunnel bei der Tiroler Gemeinde Jenbach in Teilen thermisch aktiviert. Er versorgt nun den nahegelegenen Bauhof der Gemeinde mit Wärmeenergie.

Durch die seit 2012 erfolgte Datenerfassung des laufenden Betriebs des Tunnelthermiekraftwerks Jenbach sowie über zusätzlich erfolgte Versuche ist es möglich, detailliertere Aussagen zu Energiepotenzialen und Möglichkeiten der energetischen Aktivierung zu geben. Diese im vorliegenden Fall aus geringen Tiefen entzogene Wärme wird zu Heiz- und Kühlzwecken von Gebäuden und Verkehrsstrukturen verwendet. Dabei ergaben sich Entzugsleistungspotenziale zwischen 25 und 40 W/m². Es konnte gezeigt werden, dass die Amortisationszeiten im Rahmen gängiger geothermischer Anlagen liegen.

Einleitung

Erdberührte Ingenieurbauwerke im Tiefbau besitzen große Flächen, die sich für den Entzug von Wärme eignen [1][2]. Dieser Ansatz wird bei konventionellen Tunnelbaumaßnahmen durch die Verwendung eines Energievlieses und bei maschinell aufgefahrenen Tunneln durch den Einbau von Energietübbings umgesetzt [3].

Der in Kooperation der Firmen Rehau AG+Co und Ed. Züblin AG (Zentrale Technik) entwickelte Energietübbing ist erstmalig in einem 54 m langen Abschnitt des rund 3,5 km langen Tunnels Jenbach in Tirol zum Einsatz gekommen. Als erstes Energietübbing-Wärmekraftwerk weltweit versorgt der Tunnel seit 2012 ein städtisches Betriebsgebäude der Gemeinde Jenbach mit Wärmeenergie [4]. Seit Inbetriebnahme dieses Pilotprojekts erfolgte die messtechnische Datenerfassung der Tübbing-, Tunnel-, Vor- und Rücklauftemperaturen sowie der Laufzeiten der Wärmepumpe. Damit besteht die Möglichkeit, einen direkten Vergleich zu ziehen zwischen der abgeschätzten Wärmeleistung, die zur Dimensionierung des Tunnelkraftwerks ermittelt wurde, und der bereitgestellten und abgefragten Wärmeenergie im laufenden Betrieb. Interessant sind insbesondere die Fragestellungen zu folgenden Aspekten: prognostizierte versus erreichte Leistung; Energie­einsparpotenzial; Wirtschaftlichkeit; Zuverlässigkeit.

Für eine Beantwortung dieser Fragestellungen sind zunächst weitere Hintergrundinformationen über das System „Energetische Aktivierung von Tunneln/Tübbings“ und insbesondere auch über den aktivierten Tunnel in Jenbach notwendig.

Aktivierung von Tübbings

Um den aus Tübbings bestehenden Tunnelausbau geothermisch nutzen zu können, wurde ein Absorberleitungssystem in die Tübbings an der äußeren Bewehrungslage integriert (Abb. 3). In Anlehnung an verwandte Lösungen, wie Energiepfähle, wurde diese Variante Energietübbing genannt. In Jenbach erfolgte über Aussparungen in den Längsfugen die Kopplung der Leitungen der einzelnen Tübbings untereinander, sodass über 54 m Tunnellänge eine erdberührte Kollektorfläche von rund 2.000 m² entstand (außenseitiger Tunnelumfang ca. 40 m).

Da Tunnel für eine Lebensdauer von mehr als 100 Jahren ausgelegt werden, ist es wichtig, ein Rohrmaterial mit einer entsprechenden Lebenserwartung zu verwenden [6][7]. Rohrleitungen aus vernetztem Polyethylen (PE-Xa) ermöglichen enge Biegeradien und weisen geeignete Leistungswerte auf (zum Beispiel Full Notch Creep Test), die herkömmliche Rohre aus PE-HD übertreffen [8]. Hier kam ein entsprechendes Rehau-Produkt zum Einsatz, das sich für geothermische Anwendungen vielfach bewährt hat.

Die durch ein Wärmeträgermedium im Tunnel aufgenommene Wärme wird in Leitungen über den Rettungs-stollen zum Rettungsschacht und einer Verteilleitung zu der Wärmeübergabestation des Bauhofs Jenbach überführt (Abb. 4). Dieser dient als Abnehmer für die gewonnene Wärme. Zur Quantifizierung der entzogenen Wärme des Tunnels wurde eine messtechnische Ausstattung des energetisch aktivierten Abschnitts vorgenommen.

Messtechnische Ausstattung
Tunnelkraftwerk Jenbach

Die über den Heizkreis entzogene Wärme wird über Temperatursensoren an Zu- und Ablauf in Kombination mit dem jeweiligen Durchfluss und den Materialparametern des durch die Rohrleitung zirkulierenden Fluids bestimmt.

Um die Auswirkungen des Wärmeentzugs auf die Umgebung zu detektieren, wird über zusätzliche PT100 Temperatursensoren sowohl die Tunnelluft als auch die Temperatur im Tübbingausbau gemessen.

Mehrere Energietübbings werden zu einem Tunnelring zusammengeschlossen (Abb. 2); je nach Tunnelgröße ergibt eine bestimmte Anzahl an verbundenen Tunnelringen einen Heizkreis (Abb. 5). In Jenbach wurden 13 Heizkreise zur Gesamtkollektorfläche verbunden. Die Messung der Vor- und Rücklauftemperaturen des Wärmeträgermediums erfolgte über PT100 Temperatursensoren in Zu- und Ablaufleitung des kleinen Heizkreises zum Verteiler.

Dimensionierung des Tunnelkraftwerks

Für die effektive Verwendung von Wärmepumpen können Tunnel grundsätzlich immer dann energetisch aktiviert werden, wenn sowohl Tunnel- als auch die Bodentemperaturen im Verhältnis zu den über Tage herrschenden Temperaturen einen ausreichend großen Unterschied aufweisen. Dann ist es möglich, den Tunnel im Sommer zum Kühlen und im Winter zum Heizen zu nutzen.

Für die Planung der geothermisch genutzten Tunnelstrecke in Jenbach musste die Anlage im Hinblick auf den Bedarf des Verbrauchers dimensioniert werden. Hierzu wurde eine Vorbemessung mit der Finite Differenzen Methode (FDM) durchgeführt. Komplexe Geometrien, Bodeninhomogenitäten, Interaktionen benachbarter Tunnelröhren und gerichtete Grundwasserströmungen können mit diesem Verfahren allerdings nicht berücksichtigt werden. Insbesondere stärkere Grundwasserströmungen können einen wesentlichen Einfluss auf den notwendigen Energie­eintrag haben. Daher galt es, die Berechnungsansätze auf der sicheren Seite zu wählen.

Für die Dimensionierung wurden geologische und hydrologische Gutachten herangezogen, um die für eine Abschätzung der Entzugsleistung nötigen bodenspezifischen Parameter wie zum Beispiel Wärmeleitfähigkeit, Wärmekapazität, Dichte aber auch Informationen über mögliche Grundwasserleiter zu erhalten.

Der in Jenbach aktivierte Tunnelabschnitt liegt im Nahbereich des Flusses Inn, dessen Boden besonders von durchlässigem Schotter und Sedimenten geprägt ist. Der Grundwasserleiter steht in etwa 10 m Entfernung zum aktivierten Tunnelabschnitt an. Die Tunneltemperatur liegt bei etwa 12 °C, der anstehende Boden weist eine Temperatur von rund 10 °C auf. Simuliert wurde nur das den Tunnel umgebende Gebirge (Tab. 1). Die Tübbingschale wurde in dieser Betrachtung aufgrund ihrer geringen Dicke im Verhältnis zum umgebenden Erdreich vernachlässigt.

Betrachtet wurden zwei Szenarien (Abb. 6). Im ersten Fall wurde die mittlere Temperatur des Absorberfluids über den gesamten Betrachtungszeitraum konstant gehalten, was einem Dauerbetrieb der Geothermieanlage über ein Jahr entspricht. Das untersuchte Szenario eines Dauerbetriebs ist insofern praxisfern, da eine Heizungsanlage saisonal nur taktweise betrieben wird. Die Berechnung eines Dauerbetriebs zeigte auf, dass eine zu lange Betriebslaufzeit einer Geothermieanlage zu einer Auskühlung des Bodens führen kann. Bedingt durch lange Regenerationszeiten des Gebirges führt dies zu einer zunehmend verminderten Entzugsleistung.

Für den zweiten untersuchten Fall wurde für die Anlagendimensionierung der Taktbetrieb zugrunde gelegt. Nur die Anzahl der Volllaststunden wurde für diesen Fall für die Berechnung angesetzt, das heißt der Wärmeentzug nur wenige Stunden pro Tag und dies saisonal abhängig simuliert.

Vergleicht man das Ergebnis des Intervallbetriebs mit dem des Dauerbetriebs, so ergeben sich während der Betriebszeit der Anlage höhere Entzugsleistungen. Allerdings zeigt sich auch in dieser Simulation über die Dauer eines Jahres ein gewisser Auskühleffekt des ­Bodens, sodass auch hier die Entzugsleistung mit der Zeit geringfügig abnimmt.

Auf Basis dieser Berechnungen wurde für die Anlagendimensionierung eine mögliche Entzugsleistung von 10 W/m² ermittelt, auf deren Basis man die erforderliche Größe der Kollektorfläche bestimmte. Nach Fertigstellung des Tunnels und energetischer Aktivierung des Tunnelabschnitts in Jenbach, erfolgte die Ermittlung der Entzugsleistung im Praxisbetrieb.

Ergiebigkeit im Praxisbetrieb 2012 bis 2014

Die relativ milden Winter 2012/2013 und 2013/2014 erforderten nur einen geringen Wärmebedarf für das Betriebsgebäude, der problemlos durch das Tunnelthermiekraftwerk geliefert werden konnte. Zur Optimierung des Heizbetriebs wurden in einer ersten Versuchsreihe die Durchflussbedingungen im Absorberkreislauf variiert. Die Umwälzpumpe war dazu so eingestellt, dass sich laminare Strömungszustände ergaben. Eine dimensionslose Größe, die die Strömungsbedingungen charakterisiert, ist die Reynoldszahl, kurz Re. Bei Werten über 2.300 spricht man von turbulenten Strömungsbedingungen, Werte unter 2.300 charakterisieren eine laminare Strömung, wobei in der Praxis von einem Übergangsbereich auszugehen ist. Reynoldszahlen unter 2.300 bedeuten aufgrund der laminaren Verhältnisse und der damit fehlenden Turbulenz einen reduzierten Wärmeübergang in der Rohrleitung, und damit auch eine geringere Entzugsleistung.

Die in diesen Zeiträumen aufgezeichnete Messreihe mit Re von rund 1.650 (Abb. 7) wies im Praxisbetrieb einen sich gering einstellenden Temperaturunterschied (ca. 3 K) zwischen Zu- und Ablauf der Heizkreise in der Tunnelschale auf. Damit ergab sich eine Entzugsleistung im Bereich von 4 bis 8 W/m². Dies entsprach der Größenordnung der zuvor durchgeführten Simulation. Ein Abkühlen des Bodens infolge der benötigten Leistungsabfrage konnte bei der Messreihe in Abbildung 7 nicht beobachtet werden; für diese Anwendung liegt also genug Wärme vor.

Maximale Ergiebigkeit

Von besonderem Interesse war die Frage, wie groß die nutzbaren vorhandenen Wärmemengen unter den hydro­geologischen und baulichen Randbedingungen sein würden. Daher wurden zusätzliche Versuche durchgeführt, bei denen die Entzugsleistung erhöht wurde. Erreicht wurde diese durch Variation der Durchflüsse und einer damit verbundenen Variation der Strömungsbedingungen.

Um bei den einzelnen Versuchsreihen für konstante Randbedingungen zu sorgen, wurde nah zur Kollektorfläche ein Kühlaggregat mit Umwälzpumpe direkt an Vor- und Rücklauf zugeschaltet (Abb. 8). Mit dem Kühlaggregat wurde eine größere Wärmeabfrage im Dauerbetrieb ermöglicht. Damit war es auch möglich, die Vorlauftemperatur des Absorberkreislaufs für die Dauer des Versuchs im Zulauf konstant zu halten. Zudem konnten Versuche mit unterschiedlichen Temperaturniveaus durchgeführt werden. Für die Versuchsdauer wurde die Versorgung des Bauhofs Jenbach unterbrochen.

Die Umwälzpumpe ermöglichte eine Variation des Durchflusses. Je nach Durchfluss ergeben sich verschiedene Strömungsbedingungen. Im vorliegenden Fall sind die Strömungsbedingungen wie folgt zugeordnet:

Laminar: Re-Zahl ≈ 1.200

Übergangsbereich: Re-Zahl ≈ 2.300

Turbulent: Re-Zahl ≈ 4.200

Jede Messreihe wurde über mehrere Tage betrieben, sodass die Auswirkungen der jeweiligen Strömungsbedingung auf das träge reagierende Erdreich und den Tunnel messbar wurden. Bei laminaren Strömungsverhältnissen (Re-Zahlen um 1.200) ergab sich ein Wärmeentzug von etwa 10 W/m² (Abb. 9). Mit zunehmenden Strömungsgeschwindigkeit erhöhte sich dieser auf etwa 13 W/m² im Übergangsbereich (Re um 2.300, Abb. 10) und 16 W/m² bei turbulenten Verhältnissen (Re =4.200, Abb. 11). Aus den Ergebnissen der jeweiligen Teilversuche mit unterschiedlichen Reynoldszahlen und Durchflüssen ist der Zusammenhang zwischen Durchfluss und Wärmeentzug gut ersichtlich.

Der höhere Wärmeentzug war ebenfalls in den Temperatursensoren der Energietübbings erkennbar. Im laminaren Bereich lag die Temperatur bei über 10 °C (Abb. 9), bei höherem Wärmeentzug und turbulenten Strömungsbedingungen in der Rohrleitung ergab sich eine Temperatur in den Betontübbings von unter 8 °C.

Ein guter Indikator höherer Durchflüsse war auch die reduzierte Spreizung im Heizkreis (der Temperaturunterschied zwischen Zu- und Ablauf). Diese reduzierte sich von etwa 6 K bei laminaren Verhältnissen (Abb. 9) auf nur noch etwa 3 K im turbulenten Strömungsbereich (Abb. 11).

Es ergaben sich folgende Beobachtungen:

Der Wärmestrom stieg mit zunehmendem Durchfluss deutlich an (laminar vs. Turbulent: +60 %)

Selbst bei im Verhältnis hohen Vorlauftemperaturen um 6 °C und kalten Tunneln ließen sich Entzugsleistungen von > 15 W/m² erzielen. Bei geringeren Vorlauftemperaturen und dem damit verbundenen höheren Temperaturunterschied zu Erdreich und Tunnelluft ist somit mit einem höheren Wärmeentzug zu rechnen.

Der aktivierte Abschnitt nimmt mit 54 m nur einen Bruchteil der gesamten Tunnellänge von rund 3,5 km ein. Es ist daher möglich, dass die über die Monate August und September zu beobachtende leichte Absenkung der Tunnel-Lufttemperatur nicht durch die aktivierten Tübbings verursacht wurde, sondern mit dem Absenken der Lufttemperatur außerhalb des aktivierten Tunnelabschnitts einhergeht (Abb. 9 bis Abb. 11).

Kalte und warme Tunnel

Die unterschiedlichen Randbedingungen und Merkmale der Tunnelbauwerke erlauben bezüglich der thermischen Leistungsfähigkeit eine einfache Klassifizierung in „kalte“ und „warme“ Tunnel:

Kalte Tunnel

Den Tunnel in Jenbach würde man dem kalten Typ zurechnen. Charakteristisch bei diesem Eisenbahntunnel ist die ganzjährig relativ niedrige Lufttemperatur von rund 15 °C, eine mäßige Taktfrequenz durchfahrender Züge sowie ein geringer Energieeintrag, zum Beispiel durch Bremsvorgänge der Züge, die das Temperaturniveau nicht signifikant erhöhen. [5]. Diese Art von Tunneln weisen in der Regel größere Innendurchmesser im Bereich von 10 bis 12 m auf. Die im Tunnel vorherrschenden Temperaturen beeinflussen nur begrenzt die umgebende Bodentemperatur. Auch Straßentunnel lassen sich diesem Typ zuordnen.

Warme Tunnel

Der warme Tunnel hingegen weist im Sommer gewöhnlich ein deutlich höheres Temperaturniveau um 30 °C auf [11]. Meist handelt es sich um innerstädtische Tunnel (U-Bahn) mit typischen Innendurchmessern von rund 7 m. Eine Vielzahl an Haltestellen sowie eine hohe Taktfrequenz der Züge erzeugt infolge von Brems- und Anfahrvorgängen einen zusätzlichen Wärmeeintrag [5]. Dadurch erhöhen sich die Tunneltemperaturen, und das umgebende Erdreich wird erwärmt [12].

Entzugsleistungen bei warmen Tunneln

Aufgrund des hohen zur Verfügung stehenden Temperaturniveaus in warmen Tunneln und einer gleichzeitig möglichen Kühlung durch eine energetische Aktivierung solcher Tunnelbauwerke scheint eine Ermittlung der Entzugsleistung für diese Tunneltypen vielversprechend. Besonders im Hinblick auf das gestiegene Verkehrsaufkommen und den damit verbundenen weiteren Ausbaus der U-Bahn-Netze in Großstädten besteht ein großes nutzbares energetisches Potenzial.

Mithilfe der für die Berechnung des Tunnels Jenbach verwendeten Bodenkennwerte ergab sich zusammen mit den festgelegten Werten für eine Temperatur der Tunnelluft von 25 °C und einer Erdreichtemperatur von 10 °C bei einer konstanten Vorlauftemperatur von 5 °C ein Wärmeentzug zwischen 18 und 40 W/m² (Abb. 12).

Der Wärmeentzug wird in Abhängigkeit der Strömungsbedingungen laminar (Re ≈ 1200), Übergangsbereich (Re ≈ 2.300) und turbulent (Re ≈ 4.200) ermittelt. Die Temperatur der Tunnelluft für warme Tunnel (Metrotunnel) mit 25 °C im stationären Fall wird als Mittelwert aus den in Metrotunneln im Sommer auftretenden Temperaturen um die 30 °C und den im Winter vorherrschenden 20 °C gebildet. Im Vergleich zum umgebenden Erdreich ist erfahrungsgemäß die Tunnelluft im Mittel um 10 K erhöht [12].

Die errechneten Werte sind in Abbildung 12 im Vergleich zu den gemessenen Werten des kalten Eisenbahntunnels in Jenbach dargestellt. Bei diesem Vergleich wird deutlich, dass die Entzugsleistungen von warmen Tunneln bei turbulenten Strömungsbedingungen beziehungsweise höheren Durchflüssen mehr als doppelt so hoch sind wie bei kalten Tunneln. Aufgrund des höheren Temperaturniveaus in warmen Tunneln reichen beispielsweise schon laminare Strömungsbedingungen von Re-Zahlen um 1.200 aus, um auf den m² bezogen ähnliche Entzugsleistungen wie bei kalten Tunneln mit turbulenten Strömungsbedingungen (Re-Zahlen um 4200) zu erzielen. Dies wirkt sich aufgrund geringerer Druckverluste positiv auf die erforderliche Pumpleistung sowie auf die Betriebskosten aus.

Wirtschaftlichkeit des Energietübbings

Abschließend erfolgt eine wirtschaftliche Betrachtung der energetisch aktivierten warmen und kalten Tunnel. Dabei werden die Vorlauftemperaturen mit 2 °C berücksichtigt, um einen höheren Temperaturunterschied zwischen dem Fluid, der umgebenden Materie des Erdreichs sowie der Tunnelluft zu erzeugen. Dies ist für einen adäquaten Wärmeentzug besonders bei kalten Tunneln von Vorteil. Dabei lassen sich im Vergleich zu den Messreihen (Abb. 12) ähnliche Entzugsleistungen bei geringeren Durchflüssen/Re-Zahlen erzielen. Die für die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung zugrunde gelegten Parameter sind in Tabelle 2 dargestellt; die gewonnene Wärmemenge lässt sich anhand einer Gegenüberstellung mit einigen typischen Verbrauchern anschaulich einordnen (Tab. 3).

Bei einer jährlichen Betriebszeit von 2.196 h/a kann zum Beispiel bei Aktivierung eines 500 m langen warmen Metrotunnels mit Entzugsleistungen zwischen 25 und 38 W/m² der Wärmebedarf von 100 bis 150 KfW 70-­Effizienzhäuser gedeckt werden (Abb. 13). In kalten Eisenbahntunneln kann bei einem aktivierten Tunnelabschnitt von 500 m Länge mit einer Entzugsleistung von 25 W/m² infolge des größeren Tunnelquerschnitts sogar der Wärmebedarf für annähernd 185 KfW 70-Effizienzhäuser gedeckt werden.

Vergütet man die über den aktivierten Tunnelabschnitt gewonnene Wärmemenge mit etwa 0,06 Euro/kWh (Erfahrungswert Stadtwerke, Süddeutschland, Stand 2014) und rechnet diese Einnahmen den Investitionskosten entgegen, so ist die in Abbildung 14 graphisch dargestellte Amortisationsbetrachtung möglich. Für die vorliegenden Randbedingungen ergeben sich abhängig von Tunneltyp und Entzugsleistung geschätzte Amortisationszeiten zwischen neun und 15 Jahren.

Die Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen ergaben zudem, dass sich die Investition erst ab aktivierten Tunnellängen von 250 m sinnvoll rechnet, wenn die Wärmeenergie veräußert wird. Wird die Wärmeenergie nicht veräußert, sondern der Eigenbedarf gedeckt, beispielsweise für das Heizen und Kühlen von Betriebsräumen, Bahnsteigen und so weiter, sind auch kürzere mit Energietübbings ausgestattete Tunnelabschnitte wirtschaftlich.

Schlussfolgerung und Ausblick

Die Auswertung der Mess- und Betriebsdaten über einen Betrachtungszeitraum von über zehn Monaten für den geothermisch genutzten Tunnel Jenbach ergab eine positive Bilanz der Betriebskosten des Bauhofs Jenbach: Aus Energietübbings gewonnene Wärme amortisiert die dafür erforderlichen Investionen in ähnlicher Weise wie konventionelle oberflächennahe Geothermieanlagen. Der Vorteil des Energietübbings: geothermische Wärme lässt sich auch in Gebieten gewinnen, in denen sich klassische Geothermieanlagen nicht installieren lassen, wie zum Beispiel in dichtbesiedelten städtischen Gebieten.

Wie das Praxisbeispiel Jenbach zeigt, stellt eine energetische Aktivierung von Tunnelneubauten somit eine sehr gute Möglichkeit dar, diese kostenfrei zur Verfügung stehende Erdwärme zu nutzen, um damit die Betriebskosten für Heizen und Kühlen deutlich zu senken. Wird zudem in den Sommermonaten aus Gebäudekühlung gewonnene Abwärme in den kalten Tunnel und in das umgebende Erdreich abgeführt, dann ergibt sich infolge der winterlichen Nutzung der gespeicherten Wärmeenergie eine noch höhere Wirtschaftlichkeit. Für kalte wie warme Tunnel liegen die Amortisationszeiten in einer Größenordnung, die vergleichbar zu herkömmlichen Geothermieanlagen zu sehen sind.

Besonders Tunnel im städtischen Bereich bieten aufgrund vorhandener Abnehmer in direkter Nähe zum Tunnel ein großes Potenzial für die geothermische Nutzung. Wird bereits frühzeitig in der Projektierung von Stadtbezirken und Tunnelbauwerken über eine energetische Aktivierung von Tunneln nachgedacht, kann ein solches System leicht in den Planungsprozess integriert werden.

References/Literatur

[1] H. Brandl: Energy foundations and other thermo-active ground structures, in: Geotechnique 56, No. 2, 2006.
[2] W. Wittke, D. Schmitt: Nutzung der Geothermie im Tunnelbau, in: ­Geotechnik, 256-262, 2005.
[3] D. Adam, R. Markiewicz, A. Oberhauser: Nachhaltige Nutzung von Erdwärme mittels innovativer Systeme im Ingenieurtiefbau und Tunnelbau, Technische Universität Wien, Wien, 2005.
[4] N. Franzius, N. Pralle: Turning segmental tunnels into sources of ­renewable energy, in: ice, 2011, 164.
[5] T. Schlosser, M. Schmidt, M. Schneider, P. Vermeer: Potenzial der ­Tunnelbaustrecke des Bahnprojekts Stuttgart 21 zur Wärme- und Kältenutzung, Schlussbericht, Institut für Gebäude Energetik, ­Universität Stuttgart, 2007.
[6] Eurocode: Grundlagen der Tragwerksplanung, Europäische Norm EN 1990:2002 Tabelle 2.1; Klasse der Nutzungsdauer 4, 2010.
[7] Eurocode: Grundlagen der Tragwerksplanung Europäische Norm EN 1990:2002 Tabelle 2.1, Klasse der Nutzungsdauer 5, 2010.
[8] R. Winterling: Energietübbing – Infrastruktur wird zur Energiequelle, in: Oberflächennahe Geothermische Energie, Heft 73, 2012.
[9] VDI 3807 Verbrauchskennwerte für Gebäude, Richtlinie, Beuth-Verlag, 2013.
[10] http://www.dbu.de/ab/DBU-Abschlussbericht-AZ-25654.pdf
PIK, Potsdam Institut für Klimafolgenkontrolle, mittlerer Jahresgang aus Messdaten, https://www.pik-potsdam.de/services/klima-­wetter-potsdam/klimazeitreihen/bodentemperatur%20,2014
[11] BRE Report 211738, Understanding thermal comfort on London ­Underground trains and stations – Summer survey, Building Research Establishment, 2004.
[12] J.A. Thompson: Evaluation of underground railway networks operating sustainable cooling systems, London South Bank University, 2006.
[13] VDI 4640 Blatt 2 Thermische Nutzung des Untergrundes, Erdgekoppelte Wärmepumpenanlagen, Richtlinie, Beuth-Verlag, 2001.
x