Herausforderung, Tragende Sichtbetonfassade
„Neuer Kanzlerplatz“ Bonn

Gebäude

Dort wo früher das Bonn Center im Herzen der Stadt stand, entstanden in einer Bauzeit von drei Jahren 2019 (Grundsteinlegung) bis 2022 drei neue Baukörper. Ein 23-stöckiges Hochhaus mit vorgehängter Fassade und zwei sechsstöckige Baukörper, welche als tragende Fassade in Architekturbeton ausgeführt wurden. Der Grundriss gleicht jeweils einem Pentagon mit Innenhof. Der Vortrag bezieht sich ausschließlich auf die Ausführung der Gebäude 2 und 3, bei denen die tragende Fassade von dem Zech-eigenen Fertigteilwerk BWE-Bau Fertigteilwerk GmbH ausgeführt wurde.

Tragende Sichtbetonfassade

Die Besonderheit des Gebäudes liegt in der tragenden Fassade und der architektonischen Geometrie der Sichtbeton-Fertigteile. Das Bauwerk besitzt zur Lastabtragung außer der Fassade nur aussteifende Betonkerne (Treppenhäuser, Wandscheiben und Stb.-Stützen) im Gebäudeinneren. Die Spannweite der Geschossdecken von den Betonkernen zur tragenden Fassade beträgt bis zu 7,50 m, wodurch weitestgehend stützenfreie Büroräume entstanden sind. Die Fertigteile haben in der Regel eine Abmessung von 5,47 m in der Breite und eine Höhe von 3,70 m. Die Geschossdecken sind über spezielle ISO-Körbe an die Fertigteile angeschlossen. Die Fassade besteht aus einer zusammengesetzten Fertigteil-Pfosten-Riegel-Konstruktion mit einer Betongüte von C50/60. Die Betonoptik ist weiß. Die Oberfläche wurde durch Säuern bearbeitet, dadurch ist eine gleichmäßige und homogene Sichtbetonoberfläche entstanden. Zum Schutz der Fertigteile wurde in Teilbereichen ein Graffitischutz bzw. eine Imprägnierung werkseitig aufgetragen.

Statische und planerische Herausforderung

Durch die einzigartige Konstruktion ergaben sich vielerlei Herausforderungen. Zum Beispiel an die Gebäudestatik. Hier gibt es keine vorhandene Systemlösung für die Lasteinleitung der Decken in die Fassade. Es sind zu hohe Lasten für eine Standardlösung vorhanden. Ebenfalls mussten die thermische Trennung und die thermische Beanspruchung von Δ t = 60°C, die eine Längenveränderung von ca. 2,5 cm in der Höhe mit sich bringen, in der Berechnung berücksichtigt werden. Eine zusätzliche Herausforderung war es, eine fertigteilgerechte Konstruktion für den auskragenden Bereich zu schaffen. Dies ist nur ein Auszug aus den vielen verschiedenen Details, welche bei der Planung und Umsetzung dieses Bauvorhabens zu berücksichtigen waren.

In dem Vortrag wird dargestellt, wie die Herausforderungen in der Praxis gemeinsam gelöst wurden und wie ein gutes Zusammenwirken zwischen Planungsbüro und ausführendem Fertigteilwerk bei „Sonderkonstruktionen“ erfolgreich durchführbar ist.

Auch auf die Frage, ob so eine Fassade aus ökologischer Sicht noch zeitgemäß ist, wird in dem Vortrag eingegangen.

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