Die Geschichte der „Norra Tornen“ in Stockholm

Die Silhouette im Norden von Stockholm hat sich verändert. Seit einigen Jahren wird der Himmel dort von zwei spektakulären Hochhausfassaden beherrscht, die weit über die Grenzen Schwedens hinaus die Aufmerksamkeit der Architekturwelt auf sich gezogen haben. Von den zahlreichen Nominierungen bei Architekturwettbewerben ist insbesondere der Internationale Hochhauspreis 2020 erwähnenswert.

Villenfeeling auf der Terrasse

Die „Norra Tornen“ (Nordtürme) sind die höchsten Wohnhäuser in der Innenstadt von Stockholm. Die beiden Gebäude mit den Namen „Helix“ und „Innovationen“ wurden im Auftrag von Oscar Properties vom Office for Metropolitan Architecture (OMA), einem der renommiertesten Architekturbüros der Welt, entworfen und waren 2020 bezugsfertig.

Chefarchitekt und OMA-Miteigentümer Reinier de Graaf hat die Lichtverhältnisse und das Wohnumfeld in die Planung einbezogen. Die vorspringenden Fensterabschnitte und zurückversetzten Terrassen erzeugen unterschiedliche Tiefen und vermitteln so das Gefühl eines Außenbereichs, der eher an Villengärten als an traditionelle Stadtbalkone erinnert.

Inspiration aus den 1960er Jahren

Der Gebäudestil unterscheidet sich deutlich von den umliegenden Vierteln, deren Häuser meist ab der Jahrhundertwende und bis in die 1930er Jahre errichtet wurden. Dennoch wurde bei der Auswahl der Farbe sehr sorgfältig darauf geachtet, dass sie mit den nahe gelegenen Gebäuden harmoniert.

Der pixelartige Charakter der Nordtürme wurde beim Entwurf ganz bewusst gewählt, um den Blick anzuziehen und die Symmetrie zu unterbrechen, die übereinander gestapelte Würfel in einer städtischen Umgebung häufig erzeugen. Inspiriert wurde der robuste und unebene Charakter der Fassadenform durch die 1960er Jahre, in denen viele neue Materialien eingesetzt wurden, um architektonische Meilensteine zu schaffen.

Ungewöhnliche Betonfertigteile

Mit der Produktion der farbigen Fassadenelemente wurde das schwedische Unternehmen Attacus Stomsystem (ehemals SCF Betongelement) beauftragt, das für Bodenplatten und Wände eine Sandwichkonstruktion mit einem Betonkern entwickelte. Die Rippenstruktur der Außenelemente wurde mithilfe einer elastischen Matrize aufgebracht. Um die aus dänischem Seestein und Feuerstein bestehende Gesteinskörnung freizulegen, wurden die Wandelemente mit einem Schleifroboter gebürstet. Dieses Verfahren erzeugt zudem eine matte und nicht reflektierende Oberfläche. Um eine hohe Oberflächenqualität zu gewährleisten, wurden die Elemente auf Kipptischen des Herstellers LCON AB betoniert, die über ein einzigartiges hydraulisches Rüttelsystem verfügen. Alle Elemente wurden beim Betoniervorgang mit Flüssigfarbe des deutsch/dänischen Unternehmens Omnicon A/S eingefärbt.

„Norra Tornen war ein Projekt, das einerseits großen Spaß gemacht hat, andererseits aber auch eine große Herausforderung war. Soweit ich weiß, waren wir vorher noch nie an einem solchen Projekt beteiligt. Sowohl bei Helix als auch bei Innovationen wurde nur der starre Kern mit den Treppenhäusern und den Aufzugsschächten linear errichtet. Die Betonwürfel wurden ausgehend vom Kern ausgesteift und vermitteln einen Eindruck von Asymmetrie“, sagt Torbjörn Björkman, Projektleiter bei Attacus Stomsystem.

Herausforderung Farbe

Das Ziel lautete von Anfang an, dass die „Norra Tornen“ der Silhouette von Stockholm einen wärmeren und weicheren Charakter verleihen sollten. Die Farbe der beiden Türme musste mit den umliegenden Gebäuden harmonieren. Für die Einfärbung des Betons wurde ein rotgelber Farbton gewählt, der zur warmen, aus gebrannten Rot-, Orange-, Rosa-, Gelb- und Brauntönen bestehenden Palette der schönen Wohnviertel aus der Zeit der Jahrhundertwende passt. Da diese Farbe kein vorrätiges Standardprodukt war, entwickelte Omnicon ein neues Pigment.

„Omnicon hat eine den Wünschen des Kunden entsprechende Rezeptur entwickelt. Das war keine einfache Aufgabe, weil in den beiden Türmen unterschiedliche Zementsorten zum Einsatz kamen. Die Pigmente wurden deshalb zunächst im Labor von Omnicon in Sønderborg in Dänemark entwickelt. Die Feinabstimmung erfolgte anschließend durch einen Ingenieur von Omnicon vor Ort bei Attacus in Strömsund“, sagt Lars-Olof Eliasson von Pigmentec, dem schwedischen Vertreter von Omnicon.

Preisgekröntes Projekt

Wie jedes zukunftsweisende Architekturprojekt hat auch der Entwurf der „Norra Tornen“ eine Debatte mit Für und Wider ausgelöst. Sicher ist jedoch, dass die Arbeit von Reinier de Graaf spannend ist, wie es gute Architektur stets sein sollte. Die Türme wurden bei einer Reihe von Architekturwettbewerben nominiert, von CNN im Jahr 2019 auf die Liste der zehn spektakulärsten Gebäude der Welt gesetzt und sind auch in einem Kurzspot der öffentlich-rechtlichen Fernsehgesellschaft Schwedens zu sehen.

Die bis dato bedeutendste Auszeichnung ist der Internationale Hochhauspreis 2020 (für das innovativste Hochhaus der Welt), der von der Stadt Frankfurt gemeinsam mit dem Deutschen Architekturmuseum (DAM) vergeben wird. Die „Norra Tornen“ wurden 2018 außerdem für den vom schwedischen Architektenbund vergebenen Kasper-Salin-Preis nominiert.

Innovation auch im Innenbereich

Nicht nur ihre Architektur lässt die „Norra Tornen“ unter den Stockholmer Wohngebäuden herausragen. Sie verfügen auch über eine ganze Reihe von Einrichtungen, die man sonst nur in den Wohnhäusern der großen Metropolen sieht. Die „Norra Tornen“ sind mit einem eigenen Kino ausgestattet. Im „Innovationen“-Turm befindet sich ein Fitnessstudio mit buchbaren Gruppen-Workouts und Einzeltrainern. Wer Gäste hat, aber nicht über ausreichend Platz verfügt, kann seine Besucher im möblierten Gästeapartment des Hauses unterbringen.

Zahlen und Daten über die „Norra Tornen“

Die „Norra Tornen“ verfügen über 320 Wohnungen, von denen 182 in „Innovationen“ und 138 in „Helix“ untergebracht sind. Die Türme sind 125 m bzw. 110 m hoch. Die Wohnungen sind lichtdurchflutet und die zurückversetzten Terrassen bieten einen weiten Ausblick über die Stadt. Gepaart mit den öffentlich zugänglichen Bereichen der Gebäude stehen die „Norra Tornen“ für ein völlig neues urbanes Wohnen in Stockholm. Die Erkerfenster und die zurückversetzten Terrassen erzeugen ein wechselndes Muster, das den Türmen ihr charakteristisches Aussehen verleiht.

 Oscar Properties wurde 2013 von der Stadt Stockholm mit dem Projekt beauftragt. Die Vergabe fand im Rahmen eines Flächennutzungswettbewerbs statt, an dem eine Reihe namhafter Architekten, Bauträger und Bauunternehmen teilnahmen.

Das Architekturbüro OMA (Office for Metropolitan Architecture), das die „Norra Tornen“ entworfen hat, gehört zu den führenden und einflussreichsten Architekturbüros weltweit, hat bereits viele Preise gewonnen und betreibt Niederlassungen in Rotterdam, New York City, Beijing, Hongkong und Doha. Die Firma verbindet Architektur und städtebauliche Forschung mit dem Ziel, die Grenzen von zeitgenössischer Architektur und modernem Städtebau zu erweitern. Neben den „Norra Tornen“ steht OMA für eine Reihe weiterer bedeutender Projekte, darunter die Fondazione Prada in Mailand, die Nationalbibliothek von Katar in Doha, das Timmerhuis in Rotterdam und das derzeit im Bau befindliche Taipei Performing Arts Center.

CONTACT

Pigmentec AB|LCON AB

Sagsjövägen 1

428 36 Kållered/Sweden

+46 31 25 79 00

www.pigmentec.se

www.lcon.se

 

Omnicon A/S

Stødagervej 6

6400 Sønderborg/Denmark

+49 461 48071-11

www.omnicon-group.com

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