Schwarz-weißer Textilbeton-Terrazzo für neuen Berliner U-Bahnhof

Die Berliner U-Bahnhöfe auf dem Weg ins Regierungsviertel sind zugleich auch gefragte Fotomotive. In der Station „Rotes Rathaus“ ergibt sich z. B. ein Kontrast aus weißer Säulenarchitektur, schwarz-edler Terrazzotäfelung und weiß-mattem Fußboden. Mit dieser Leichtbau-Fassade erschließt Beton und Naturstein Babelsberg für diese Technologie ein neues Anwendungsfeld – den Verkehrsbau.

Anfang November 2020: Lückenschluss der Berliner U-Bahn-Linie 5 zwischen Alexanderplatz und Brandenburger Tor zur vorläufigen Endstation Hauptbahnhof. Die 2,2 km lange Strecke unter der Spree hindurch umfasst drei Bahnhöfe mit jeweils eigener Architektursprache: Rotes Rathaus, Museumsinsel, Unter den Linden. Die Kosten dürften sich bei ca. 600 Mio. Euro bewegen.

Der Bahnhofsentwurf des Berliner Architekten Oliver Collignon hat „Festsaal“-Charakter und wurde durch jene mittelalterlichen Funde inspiriert, die hier beim Aufgraben der Strecke zutage traten: Reste von gotischen Bögen eines Rathaus-Vorgängerbaus. In Anlehnung an dieses klassische Prinzip des Lastabtrags über Kuppeln und Säulen erhielt die Station Pilzkopfstützen, die das Deckengewicht schultern. Für die Wände und den Boden präferierte das Designbüro schwarze und weiße Terrazzoplatten in Leichtbauweise. Die mit drei Zentimetern besonders dünnen und oft gekrümmten Betonbauteile haben im Kern ein Gelege aus nichtrostendem Glasfaserverbund und wiegen gegenüber den sonst üblichen Stahlbeton-Fertigteilen pro Element gut 100 kg weniger. Während die dunklen Fassadenplatten, die das Erdreich symbolisieren sollen, poliert und geschliffen wurden, sind die in Weiß gehaltenen Bodenplatten gesäuert und damit rutschsicher.

Der 8.000 m² große Bahnhof vor dem Berliner Regierungssitz hat zwei Ebenen: sieben Meter unter dem Straßenniveau eine Verkehrsebene mit darunter liegender Abstellanlage. Entworfen vom Architekturbüro Collignon präsentiert sich die 120 m lange Station als Festhalle mit sieben mittig stehenden Pilzkopfstützen. Die Kosten belaufen sich auf ca. 65 Mio. Euro.

 

Startvoraussetzungen: neue Halle, neue Technik, neue Mitarbeiter

Die Mitwirkung am U-Bahnhof mit der Produktion von weit über 6.000 trapezförmigen Elementen war für BNB nicht nur das erste Großprojekt im Verkehrsbau, sondern zugleich auch der größte Auftrag in der Firmengeschichte. „Wegen der mehrheitlich für das riesige Fassadenpuzzle notwendig gewordenen Sonderformate mussten wir zuvor ein Jahr lang planen, um dann drei weitere Jahre in neuen Hallen und mit neuen Mitarbeitern und neuer Technik die Fassadenteile produzieren zu können“, sagte BNB-Geschäftsführer Manuel Vöge.

Im Regelfall wurden pro Arbeitstag rund 20 Elemente vorwiegend in Handarbeit mit nachfolgender CNC-Bearbeitung (Schneiden, Fräsen, Schleifen) hergestellt. Pro Bauteil waren wiederum 20 Arbeitsschritte erforderlich. Ausschlaggebend für den Erfolg war das handwerkliche Geschick der Bautischler und Betonwerker verbunden mit digitaler Produktionssteuerung und der formatabhängigen Individualprogrammierung des extra dafür angeschafften zweiten fünfachsigen CNC-Automaten. Damit der finale Politurschliff an allen Platten gleich aussieht, wurde dafür speziell ein Mitarbeiter abgestellt. Er drückte jedem einzelnen Bauteil schlussendlich seinen ganz individuellen Stempel mit der Optik „aus (s)einer Hand“ auf. Alle Elemente wurden schlussendlich mit einem Finishing gegen Feuchtigkeit und Schmutz ausgerüstet.

Mit langjähriger Expertise als hochwertiger Produzent von Fertigteilen aus (Textil-)Beton und Naturstein wurde BNB zum Partner für die Terrazzo-Auskleidung mit edlen schwarzen bzw. weißen Fassaden- und Fußbodenelementen. Der größte Auftrag in der Firmengeschichte umfasste 4.300 m², darunter für die Fassade 2.900 Sonder- und 600 Standardteile sowie mit Blick auf Bodenplatten und Treppen 2.960 Sonderformate.

 

Sonderformate durch Topografie der U-Bahnstrecke

Warum Serienmaße bei diesem Auftrag fast die Ausnahme waren, wird durch die Topografie des U-Bahn-Schachts erklärbar: Der neue Streckenabschnitt der U5 hat ein wenige Zentimeter leichtes Gefälle und verläuft zudem in Höhe des Roten Rathauses gekrümmt. Entsprechend hoch war der Aufwand, mit individuell zumeist in leichter Trapezform zugeschnittenen Platten ein exaktes Fugenbild zu realisieren. Das digitale (teils auch mit 3D-Drohnenunterstützung) exakte Aufmaß für die Wandfassaden hatten die Planer von BNB am Computer in ein Fassadenraster als Masterbook umgesetzt. Es war für alle nachfolgenden Produktions- und Montageschritte verbindlich. Jede einzelne Platte wurde unter eigenem Namen geführt – und konnte deshalb schlussendlich auch treffsicher montiert werden: So fand auch das Bauteil NO ABN N75 seinen exakten Platz: Nord West, Abgang Nord, Reihe N, Achse 75. Eine Zwangsführung für Missing Links.

Die beiden an einer Edelstahl-Sonderkonstruktion mit Agraffensystem vorgehängten und hinterlüfteten Wandfassaden komplett aus geschliffenem Textilbeton nach DIN 18516 in edler Terrazzo-Anmutung müssen noch ein weiteres Kriterium erfüllen – und abnehmbar sein. Diese Forderung resultiert aus den im Zweijahres-Rhythmus notwendigen TÜV-Inspektionen am dahinter liegenden Schalungsbeton des Bahnhofs, um mögliche Rissbildungen präventiv zu entdecken.

x

Thematisch passende Artikel:

Ausgabe 06/2022

Architektonische Meisterwerke unter der Erde: Neue Berliner U-Bahnhöfe

„Ab durch die Mitte“ – so heißt es jetzt bei der Berliner U-Bahn. Der Streckenneubau der U5 in der Mitte Berlins schließt die Lücke zwischen dem Brandenburger Tor und dem Alexanderplatz. Damit...

mehr
Ausgabe 02/2022

U-Bahnhöfe in Berlin – architektonische Meisterwerke unter der Erde

Nach rund zehn Jahren Bauzeit ging im Dezember 2020 in Berlin die Verlängerung der U-Bahn-Linie 5 in Betrieb. Die U5 aus Hönow endet somit nicht mehr am Alexanderplatz, sondern am Hauptbahnhof. Mit...

mehr