Frischbetonrobustheit

Neue Methoden zur Planung und Steuerung der Frischbetonrobustheit

Die Mischungsentwicklung und Herstellung von Beton sind heute nahezu ausschließlich durch deterministische Ansätze geprägt. Dies bedeutet, dass sowohl Schwankungen in den Eigenschaften der verwendeten Ausgangsstoffe als auch Schwankungen beim Herstell- und Einbauprozess nicht bei der Mischungsentwicklung berücksichtigt werden. Auch ist es bislang nicht in adäquater Weise möglich, bereits während des Betonherstellungsprozesses gezielt – und vor allem abgesichert – auf solche Schwankungen zu reagieren und den Beton entsprechend auszusteuern. Im Zentrum der hier vorgestellten Arbeiten stehen Techniken, mit denen die Materialeigenschaften bereits während der Herstellung und des Transports (z. B. während des Mischvorgangs) erfasst werden können, und Modelle sowie Softwarealgorithmen, die selbstlernend den Beton durch Zugabe von Additiven aussteuern (Ansatz 1). Parallel werden Ansätze des statistischen Mischungsentwurfs verfolgt (Ansatz 2).

Ansatz 1: Aktive Sicherheit durch Regelung

Die Betonbranche ist aufgrund ihrer extrem hohen Wiederholungsraten für den Einsatz von Methoden der künstlichen Intelligenz (KI) prädestiniert. Derartige Methoden benötigen jedoch eine extrem große und sich idealerweise in Echtzeit erneuernde Datenbasis. Bislang fehlen jedoch Methoden, um die Betoneigenschaften während des Herstellungsprozesses zu erfassen und gezielt auszusteuern. Hierzu werden am Institut für Baustoffe der Leibniz Universität Hannover, in Zusammenarbeit mit einem Industriekonsortium, Sensorsysteme entwickelt, die die (Frisch-)Betoneigenschaften quasi in Echtzeit erfassen. Die gewonnenen Daten dienen dann einem selbstlernenden Mischungsberechnungsalgorithmus als Grundlage, um die Mischung entsprechend der gewünschten Zielwerte auszusteuern. Die beschriebenen Messmethoden können auch zur Überwachung der (Frisch-)Betoneigenschaften auf der Baustelle eingesetzt werden (vgl. Abb.) und sind somit nahtlos in das Building Information Modeling integrierbar.

Ansatz 2: Passive Sicherheit durch Robustheit

Zielsetzung des Mischungsentwurfs muss es sein, auf Basis der Kenntnis der zuvor genannten Schwankungen diejenige Betonzusammensetzung zu identifizieren, die möglichst robust auf die zu erwartenden Schwankungen reagiert und dennoch die gewünschten Eigenschaften (Ausbreitmaß, Festigkeit etc.) liefert. Anstatt im Rahmen der Erstprüfung umfangreiche Untersuchungen zur Quantifizierung der Wechselwirkung der schwankenden Parameter durchführen zu müssen, wird die Robustheit – d. h. der Variationskoeffizient  beispielsweise des Ausbreitmaßes – im hier vorgestellten Ansatz bereits im Mischungsentwurf ermittelt.

Der vorliegende Beitrag gibt einen kurzen Überblick über beide Ansätze. Grundlage hierfür bilden Methoden der statistischen Mischungsentwicklung und Grundsätze künstlicher Intelligenz, die jedoch mit physikalisch basierten Gesetzmäßigkeiten kombiniert werden.

Danksagung:
Die Autoren danken dem Deutscher Beton- und Bautechnik-Verein e.V. für die Förderung von Teilen der hier vorgestellten Arbeiten.
Mitautoren: T. Schack, D. Beyer,
Jack S. Moffatt, C. Begemann
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