De Helix in Groningen – ein Betonfertigteilhochhaus mit tragender Fliesenfassade

Ein Turm zwar, aber kein Turmbau zu Babel, sondern ein Beispiel guter niederländisch-deutscher Zusammenarbeit. Dank konstruktiver, zielorientierter Planung, intelligenter Produktionsweise und generalstabsmäßiger Abwicklung konnte trotz enger innerstädtischer Platzverhältnisse eine schnelle und gelungene Betonfertigteilkonstruktion in einem anspruchsvollen Gebäude verwirklicht werden.

Als aufstrebender Universitätsstandort (47 % der Bevölkerung sind 30 Jahre oder jünger) erhöht sich der Bedarf an erschwinglichem Wohnraum. Entsprechend wurde schon   2016 ein Wettbewerb für eine zentrumsnahe Apartmentanlage ausgeschrieben, den nach ausgiebiger Auseinandersetzung mit dem Umfeld und vielfältigen Entwurfsüber-
arbeitungen schließlich De Unie Architecten
aus Groningen gewannen. Architektonisches Highlight des neuneckigen Grundrisses sind das Fliesenbild und die vollverglasten
Gemeinschaftsräume für jede Etage, die sich spiralförmig umlaufend
nach oben schlängeln. Diese Kurve, die sich mit konstanter Steigung um den Mantel des Baukörpers windet, gab dem Turm letztlich seinen Namen: „De Helix“.

Für die Umsetzung dieses innovativen Projektes, einhergehend mit der Wertschätzung für Betonfertigteile gewann man das Spannbeton-
werk Duha Fertigteilbau GmbH aus Haselünne im Emsland. Welches hierbei durch seinen großen, langjährigen Erfahrungsschatz im konstruktiven Fertigteilbau punkten konnte. Im Verlauf überzeugte Duha dann mit seinen Umsetzungs- und Konstruktionsvorschlägen, so dass schließlich Mitte 2018 das komplette Fertigteilkonzept an das Haselünner Fertigteilwerk vergeben wurde. Die Fertigteile für den rund 70 m hohen Turm wurden vollständig bei der Duha in Haselünne gefertigt und innerhalb von weniger als 12 Monaten montiert. Die Herausforderungen bei diesem Projekt waren vielschichtig: zum einen die geforderte Erdbeben- und Tsunami-
sicherheit der Konstruktion, dazu der architektonische Anspruch bezüglich des genau vorgegebenen mehrfarbigen Fliesenbildes
und schließlich die Logistik aufgrund der engen Baustellensituation. Letzterer war daher die Forderung geschuldet, ohne den Einsatz von Gerüsten und Steigern zu bauen. Zunächst sah die Planung eine Fassade mit Klinker oder Riemchen vor. Im Zuge der Planungs-
gespräche mit der Duha wurde daraus zunehmend ein echtes
Fertigteil mit Dämmung, Leerrohren, Steckdosen, Fenstergrundrahmen und schließlich dem integrierten Fliesenbild. Darüberhinaus wurden auch alle Innenwände und die Deckenkonstruktion als passgenau zugeschnittene Elementdecken ausgeführt und von Duha geliefert. Über entsprechende Aussparungen in den Decken wurden alle Versorgungsleitungen hierauf verlegt.

Der Produktionsablauf begann damit, dass die herstellerseitig bereits mit Ziffern gekennzeichneten Fliesenpakete sortiert werden mussten. Um Verwechslungen zu vermeiden, wurden die Ziffern 6 und 9 ausgelassen. Die Fliesen mussten dann numerisch dem individuellen Muster der Wand zugeordnet werden, um schließlich das vorgegebene Layout der Architekten umzusetzen. Aufgrund der hohen Anforderungen
wurden dann vollverschweißte Bewehrungskörbe, die speziell in den Niederlanden, angefertigt wurden, in die Fertigteile eingelegt. Den hohen Anspruch der Wärmedämmung setzte Duha um, indem die Styrodurdämmung mit Thermoankern/Glasfaserankern fixiert wurde. Beim Verlegen der Leerrohre, dem Einbau der Steckdosen sowie weiterer Einbauteile musste sehr präzise gearbeitet werden: Der Anspruch für die Innenseite war „malerfertig“.  Die fertig verfugten Fertigteilwände wurden direkt in Innenladerpaletten für den weiteren Transport abgestellt. Auch hier war ein niederländischer Partner eingeschaltet, der für einen reibungslosen Transport zwischen dem Werk und der Baustelle sorgte. Logistisch war geplant, das sich jeweils eine komplette Etage in der Produktion, eine weitere in der Bereitstellung/ Verladung und eine komplette Etage auf der Baustelle befindet. Hier sollten dann die Glasscheiben in die bereits installierten Fensterrahmen eingesetzt und die Abschlussrahmen/- Leisten inclusive der Fensterbänke endmontiert werden. Logistisch sollte sich jeweils eine Etage in der Produktion, eine weitere in der Verladung und eine Etage auf der Baustelle befinden. Aufgrund der beengten Baustellensituation entschied man sich aber kurzerhand schon nach der ersten Fenstermontage, auch diese Arbeiten ins Fertigteilwerk nach Haselünne zu verlegen. Im weiteren Verlauf stellte sich dieses Vorgehen als die richtige Entscheidung heraus, um dem hohen Anspruch gerecht zu werden. Hierdurch kamen wirklich fertige Teile zur Baustelle!

Das Kompensieren der einzelnen umfangreichen Arbeitsschritte im Werk Haselünne  unter idealen witterungsunabhängigen Bedingungen erfüllte den hohen Qualitätsanspruch des Bauherren und der Architekten.
Darüber hinaus führte dies zur Entzerrung der innerstädtischen Baustellensituation und zur Beschleunigung der gerüstfreien Montage. Im Durchschnitt konnte alle neun Tage eine Etage fertiggestellt werden. Daher konnte nach der Fertigstellung der ersten sechs Etagen bereits mit dem Innenausbau begonnen werden und so frühzeitig ein Musterappartement zur Besichtigung zur Verfügung stehen. Ergänzend zum Appartementturm musste – den niedeländischen Fortbewegungsgewohnheiten geschuldet – ein Fietsen-Keller (Fahrradkeller) harmonisch in das abfallende Gelände an den Turm gesetzt werden. Dort wurde durch Duha eine Waschbtonfassade ausgeführt, in demselben dunklen Splitt wie die Außentreppenanlage. Diese komplette Fertigteillösung
mit ihren wartungsfreien Fugen zwischen den Fertigteilen führte zu einer kurzen Gesamtbauzeit
von April 2018 bis Januar 2020 und ermöglichte eine schnelle Nutzung des Gebäudekomplexes. Zur Realisierung des Turms als Niedrig-
energiehaus wird Erdwärme genutzt. Abschließend wurde ein Blower-Door Messung vorgenommen und die Luftdichtigkeit des Gebäudes zu überprüft.

Nicht nur wegen ihrer Höhe ist die Helix damit wirklich ein herausragendes Gebäude im Stadtbild von Groningen geworden!

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