Farbkontrolle: Das Grau des Zements

Interview mit Dr. Peter Boos, Leiter des Zentrallabors von HeidelbergCement in Ennigerloh

 

Warum ist Zement grau?

Dr. Peter Boos: Dem liegt eigentlich die Frage zugrunde: Warum haben Materialien eine Farbe? Die Antwort lautet: Weil sie un­ter­schiedlich stark Licht reflektie­ren, beziehungsweise absorbieren. Absorbiert ein Material das Licht vollständig, erscheint es schwarz, reflektiert es das ganze Licht, erscheint es weiß. Ab­sor­biert oder reflektiert es nur be­stimmte Wellenlängen des Lichts, er­scheint es farbig. Das Grau des Zements liegt zwischen den beiden Extremen Weiß und Schwarz.

 

Und woher kommt das Grau?

Zement besteht im Wesentlichen aus vier Mineralphasen: zwei Calciumsilikaten, einem Calcium­aluminat und einem Mischkristall, dem Calciumaluminatferrit (C4AF). Während die ersten drei als reine Minerale weiß erscheinen, besitzt reines C4AF durch seinen Eisenanteil eine braune Farbe. Theoretisch wäre reiner Zement also braun. Theoretisch. Denn praktisch ist Zement ein Naturprodukt und liegt nie in den absolut reinen Mineralphasen vor. So ist das C4AF in der Regel durch Magnesium verunreinigt. Das sind zwar nur kleine Mengen, doch sie reichen aus, um das Eisen und Calcium im C4AF teilweise zu ersetzen. Diese geringen Gehalte an Magnesium polarisieren und deformieren die Elektronenhülle des Eisens. Das wiederum führt zu einer verän­der­ten Absorption des Lichts und der Zement erscheint in dem charak­teristischen, grünlichen Grau.

 

Wie kommen dann die unterschiedlichen Grautöne des Zements zustande?

Das hängt im Portlandzement zum Großteil vom Eisenanteil im Klinker ab: Je höher dieser ist, desto dunkler wird das durch das Magnesium hervorgerufene Grau des Zements. Im Zementwerk Paderborn haben wir zum Beispiel einen eher dunklen Zement, da der Eisenanteil hoch ist, während wir im Werk Geseke eher hellen Zement mit einem niedrigeren Eisenanteil haben. Aber auch andere Hauptbestandteile von Ze­ment beeinflussen den Grauton. Hüttensand etwa kann den Zement heller machen.

 

Welchen Einfluss hat die Zementfarbe auf die Farbe des späteren Betons?

Der Farbton des Zements bestimmt den Grundton des Betons. Allerdings können andere betontechnologische Faktoren, wie Betonzusammensetzung und Oberflächeneffekte, eine wesentlichere Rolle spielen.

 

Was mache ich, wenn ich einen farbigen Beton haben möchte, in Blau oder Rot?

Einen bestimmten Farbton jenseits von Grau können sie natürlich durch die Zugabe von Pigmenten erreichen – egal, ob Sie blauen, grünen oder roten Beton wollen. Als Grundlage für diesen eingefärbten Beton ist ein möglichst heller Zement am besten geeignet.

 

Wo spielt der Farbwert des Zements denn noch eine Rolle?

In der Qualitätsüberwachung: Wir kontrollieren an wichtigen Punkten der Produktion in re­gel­mäßigen Zeitabständen die Qualität. Zum Beispiel die chemi­sche Zusammensetzung des Roh­mehls nach der Rohmehlmahl­an­lage oder die Qualität des Ze­ments nach der Mühle. Der frisch gebrannte Klinker wird ebenso untersucht wie weitere Zement­bestandteile, zum Beispiel Hüttensand, Flugasche, Trass, Gips und Anhydrit. Dabei werden unterschiedliche analy­ti­sche Messverfahren, wie die Röntgen­fluoreszenzanalyse, verwendet, aber auch die klassische Lichtspektroskopie kommt zum Einsatz. Wir untersuchen dabei das von der Probe reflektierende Licht und können daraus in Verbindung mit der Röntgendiffraktometrie Rückschlüsse auf die Produktionsbedingungen ziehen. Zum Beispiel sehen wir, ob der Sauerstoffgehalt im Ofensystem für die Produktion des Klinkers stimmt, oder ob er korrigiert werden muss. Für den Kunden ist häufig die Gleichmäßigkeit der Farbe von Bedeutung. Da Zement aus natürlichen Rohstoffen hergestellt wird, können geringe Farbschwankungen immer auftreten. Diese wirken sich in der Regel jedoch nicht auf die Farbe des damit hergestellten Betons aus.

 

Wie war das denn früher?

Als die Laboranalytik noch nicht so weit entwickelt war, haben die Laborleiter die Farbe des Zementklinkers angeschaut und auf dieser Grundlage Rückschlüsse auf dessen Qualität gezogen. Das waren jedoch Menschen, die am Ofen entlanggingen und gehört haben, ob der Brennprozess richtig lief. Da spielte natürlich ihre Erfahrung eine sehr große Rolle – und objektiv waren diese Verfahren nicht. Heute haben wir im Gegensatz zu früher objektivere und vor allem differenziertere Messverfahren, um schnell und zuverlässig die Qualität zu überwachen.

 

Ob man dunkelgrauen oder hellgrauen Zement wählt, ist also reine Geschmackssache?

Ja, absolut. Die Graufärbung des Zements hängt nur von der Rohstoffzusammensetzung ab. Es ist eine rein ästhetische Frage, welchen Grauton man bevorzugt. Verrückterweise hat sich das jedoch noch nicht überall herumgesprochen. Auf Baustellen in Polen habe ich wiederholt gehört, dass ein besonders dunkler Zement gut sei, da er angeblich einen sehr festen, harten Beton liefert. In einigen Regionen Deutschlands ist es mir wiederum umgekehrt widerfahren, da sollte der Beton hell sein, damit er hart ist. Woher dieser Irrglauben kommt, weiß ich nicht. Sicher ist: Die Farbe des Zements oder Betons gibt keinen Aufschluss über dessen Festigkeit.

 

Welche Farbe würden Sie sich für Zement oder Beton wünschen?

Auch wenn das langweilig klingt, mir gefällt das Grau des Betons sehr. Bei extremen Farben wie Rot oder Blau ist die Gefahr zu groß, dass man sich im Laufe der Jahre satt sieht. Grau empfinde ich persönlich als neutral und resistent gegenüber Geschmacksveränderungen.

 

Das Gespräch führte Anke Biester

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