Multibord

Multifunktionales Bordsteinsystem

Vor dem Hintergrund einer ständigen Anpassung von Ver- und Entsorgungsleitungen im Stadtraum infolge technischer und demografischer Entwicklungen sowie steigender Anforderungen an Sicherheit, Information, Kontrolle und Wartung, wurde von Forschungseinrichtungen (IFF Weimar e. V., FITR - Forschungsinstitut für Tief- und Rohrleitungsbau gemeinnützige GmbH) und produzierenden Unternehmen (WBB Straßen- & Tiefbau Marksuhl GmbH, OBB Beton- und Bau GmbH) ein multifunktionales, nachrüstbares Bordsteinsystem für den Straßen-, Freianlagen- und Tunnelbau entwickelt.

Das multifunktionale Bordsteinsystem bietet Möglichkeiten zur Aufnahme von infrastrukturellen, sicherheits- und kommunikationstechnischen Elementen. Nach Bedarf können Verkehrsleit-, Stadtinformations- und Kontrollsysteme sowie Telekommunikationskabel und andere technische Infrastrukturen integriert werden. Der gezielte Einsatz des Multibordsystems erschließt effiziente Wege zur Erhöhung der Verkehrssicherheit sowie für die nachhaltige Bewirtschaftung und die Funktionsfähigkeit von Straßenräumen. Aufgrund der Gestaltung und zusätzliche Ausstattung der Bordsteine erhalten die Nutzer dieser Räume rechtzeitig alle für die Verkehrssicherheit erforderlichen Informationen.

Bordsteingestaltung und zusätzliche Ausstattung sollen selbsterklärende Straßenräume befördern, für die Verkehrssicherheit relevante Informationen zur Verfügung stellen und kontinuierliche Verkehrsströme gewährleisten. Auch Lösungen zur Vermeidung unnötiger Straßen- und Gehwegaufbrüche, zur Anpassung von Ver- und Entsorgungstrassen an gegenwärtige und künftige Bedarfe sollen umgesetzt werden. Die Entwicklung des Multibord schafft die Voraussetzungen zur Erschließung wirtschaftlicher Ressourcen im kommunalen Wirtschaftsbereich durch digitale Datenerfassung von Stadtwirtschaftsdiensten (z. B. Straßenreinigung, Müllentsorgung) und sichert den Aufbau eines Stadtkommunikationssystems.

 

Integrierte Versorgungstrassen

Im Straßenquerschnitt sind vor allem im urbanen Raum eine Vielzahl von Ver- und Entsorgungsleitungen (Wasser, Abwasser, Gas, Strom und Telekommunikation) mit unterschiedlichen Zuständigkeiten angeordnet. Zur Entlastung des unterirdischen Bauraumes werden neben der Kombination von Bordsteinen mit Oberflächenentwässerung auch Entwicklungen mit integrierten Kabelkanälen verfolgt. Besonders im Bereich der Telekommunikation ist durch die Dynamik am Markt auch in Zukunft mit häufig wechselnden Anforderungen an die Leitungsnetze zu rechnen. Das erfordert flexible, schnelle und kostengünstige Lösungen für Netzerweiterungen, Instandhaltungen und Reparaturen. Auf die Anforderungen der Versorgungsträger können herkömmliche Bordsteine nur schwer oder gar nicht reagieren. Hier bietet der konstruktive Aufbau des Multibordsystems die nötige Flexibilität.

 

Sicherheitstechnik, Verkehrsinformationssysteme und -telematik

Ein weiterer Aspekt zur Entwicklung einer neuen Bordsteingeneration ist der ständig wachsende Bedarf an ­Sicherheits-/Verkehrsleittechnik und -telematik in öffentlichen und nichtöffentlichen Verkehrsbereichen. Bordsteinintegrierte Systeme können Gefahreninformationen über widrige Fahrbahnbedingungen (z. B. Eiswarnung über Temperatursensoren, Stauwarnung usw.) signalisieren. RFID-Technik (Radio Frequency Identification) und Leseantennen ermöglichen die Integration von Kontroll- oder Ansteuerungssystemen für Stadtwirtschaftsdienste und Verkehrsleitsysteme (Sperrpoller und Schranken).

 

Lichtleittechnik

Durch die Integration reflektierender und fluoreszierender Materialien bzw. energieautarker Lichttechnik übernimmt der Bordstein licht- und leittechnische Funktionen und trägt damit zur Erhöhung der Verkehrssicherheit bei (z. B. Sicherung von Übergängen, Unterstützung von Verkehrsleitfunktionen).

In Städten sind häufig kombinierte Verkehrsflächen anzutreffen, die von Kraftfahrzeugen, Straßenbahnen und Radfahrern gleichermaßen genutzt werden. Beispielsweise werden 50 bis 60 % der Unfälle, an denen Radfahrer beteiligt sind, an Verkehrsknotenpunkten registriert. Ebenso spielen Sichtbehinderungen durch Masten eine nicht zu unterschätzende Rolle.

Neben der Ausbildung taktiler Bordsteinoberflächen sind hier zusätzliche Maßnahmen zur Erhöhung der Verkehrssicherheit für alle Verkehrsteilnehmer erforderlich.

 

Entwurf und Design

Der Multibord (Abb. 1) ist in 3 Ebenen gegliedert. Jeder dieser Ebenen sind spezielle Funktionen zugeordnet.

Die oberste Ebene ist der Bordstein selbst, sie übernimmt in erster Linie die Funktion der Abgrenzung von Verkehrsflächen, der Radabweisung und erfüllt damit die grund-legende Funktion eines Bordsteins. In diese Ebene ist das Verkehrsinformationssystem integriert, das visuelle Informationen zur Verfügung stellt, diese Informationen durch eine entsprechende Transpondertechnologie aufnimmt und zur Auswertung weiterleitet.

In der mittleren Ebene sind Formsteine angeordnet, die entsprechende Kabel für Informations-, Energie-, Kommunikationssysteme usw. aufnehmen. Diese Ebene ist gemäß den verschiedenen Anforderungen, die an solche Systeme gestellt werden können, anpassbar. Durchmesser und Anzahl, der in dieser Ebene integrierten Kanäle, sind funktionsspezifisch anpassbar.

In der unteren Ebene ist ein Ergänzungsmodul angeordnet. Dieses dient der Ableitung von Oberflächenwasser. Durch Einbau eines KG-Rohres wird die Dichtigkeit gewährleistet. Schachtelemente, in bestimmten Abständen angeordnet, gewährleisten den Zugang zu den Tubes für Installations-, Revisions- und Reparaturarbeiten. Auf diese beiden Verfahren wurden die Betonrezepturen abgestimmt und erprobt. Sie erfüllen die Anforderungen an das herzustellende Produkt.

Das modulare Bordsteinsystem ermöglicht eine anforderungsgerechte Verwendung.

Das Multibord-Sortiment beinhaltet gerade Elemente mit einer Systemlänge von 1.000 mm, Radien-, Übergangs- und abgesenkte Bordsteine sowie Schachtelemente. Abb. 2 bis 5 zeigen eine Auswahl von Radiensteinen.

 

Die Lichtbänder

Eine Kommunikation mit der Umwelt kann durch Lichtbänder erfolgen, die in einer Nut ca. 3 cm unterhalb des oberen Randes liegen und ein- oder mehrfarbig visuelle Informationen an die Verkehrsteilnehmer übermitteln. Im einfachsten Fall erhöhen sie die Sichtbarkeit von ­Fahrbahnbegrenzungen. Im Weiteren können sie der Verkehrsleitfunktion dienen. Besonders in Kurven, Kreuzungsbereichen und Einfahrten, aber auch an Verkehrsinseln (im Kreis- und Überlandverkehr) kann so partiell auf fahrbahnspezifische Besonderheiten aufmerksam gemacht werden. Auch die Kennzeichnung verschiedener Nutzungsbereiche ist realisierbar. Hierfür können einfarbige Leucht­bänder zum Einsatz kommen. Diese sind in den Farben rot, grün, blau und weiß erhältlich.

Für das Kenntlichmachen bestimmter Situationen sowie sich ändernder Zustände in Verkehrsräumen/-flächen eignen sich mehrfarbige Leuchtbänder. Die damit darstellbaren Farben umfassen das gesamte Farbspektrum. Beispielsweise kann so ein freigegebener Bereich grün und ein gesperrter bzw. eingeschränkt nutzbarer Bereich rot bzw. gelb gekennzeichnet werden. Die Energieversorgung derartiger Systeme wird u.a. durch autarke Lösungen wie Photovoltaik-Module gesichert. Der Strombedarf eines Leuchtbandes beträgt ca. 0,5 A/m. Bei einer Betriebsspannung von 12 V entspricht das einer Leistungsaufnahme von 6 W/m. Abb. 6 stellt verschiedene Betriebszustände der LED-Beleuchtung dar.

 

Wirksamkeit/Wirtschaftlichkeit

Der Multibord trägt durch integrierte infrastrukturelle, sicherheits-, kommunikations- und lichttechnische Elemente nicht nur zur Erhöhung der Verkehrssicherheit und zur Verbesserung von Stadt-/Betriebsinformations- und Kontrollsystemen bei. Auf Grund automatisierter Kontroll-, Wartungs- und Steuerungsfunktionen, durch die Integration energieautarker Versorgungslösungen (regenerative Energien) und die Ergänzung von Verkehrsleit- und -signalanlagen leistet Multibord einen nach­haltigen Beitrag zur Kosteneinsparung im laufenden ­Betrieb.

Der Einsatz konzentriert sich nicht nur auf innerstädtische und gewerbliche Bereiche, sondern vor allem auch auf die sichere und wirtschaftliche Gestaltung „gefährlicher“ Verkehrsknoten u.a. Das Bordsteinsystem gewährleistet eine nutzerspezifische Ausstattung und ist somit universell z. B. im Tunnelbau, in Logistikzentren, in gewerblich genutzten Flächen u. ä. einsetzbar. Für das entwickelte System wurde ein Gebrauchsmuster angemeldet.

Multibord ergänzt die Produktpalette der Betonwaren herstellenden Industrie. Der erweiterte Funktionsumfang, verglichen mit herkömmlichen Bordsteinsystemen, ermöglicht die Anpassung an verschiedenste Anforderungen.

Seine Herstellung entspricht der herkömmlicher Bordsteine. Die Herstellung des Mittel- und Unterteiles erfolgt in einer Maschinenform, die Herstellung des sichtbaren Oberteils da-gegen im Gießverfahren. Für die Verlegung ist entsprechend den gewählten Funktionsebenen ein Mehraufwand zu kalku­lieren. Das gleiche gilt für die Installation der kommunikativen und infrastrukturellen Einbauten.

 

Erste Erfahrungen beim Errichten einer ­Musterstrecke

Auf dem Gelände des IFF Weimar e.V. wurde 2010 eine Musterstrecke errichtet und damit fertigungstechnische Verfahren bzw. verlegetechnische Aspekte praxisnah erprobt (Abb. 7). In den Bordstein integrierte ein- und mehrfarbige LED-Bänder demonstrieren anschaulich das Spektrum licht- und verkehrsleittechnischer Funk­tionen.¢



Barbara Janorschke, Jens Nitsche, Ulrich Palzer

 

Projektpartner:

 

OBB Beton- und Bau GmbH

Fritz-Bolland-Straße 8

07407 Rudolstadt


WBB Bau- und Beton GmbH

Safransgarten 3

99441 Umpferstedt


Institut für Fertigteiltechnik und Fertigbau Weimar e.V.

Über der Nonnenwiese 1

99428 Weimar


Forschungsinstitut für Tief- und Rohrleitungsbau gGmbH

Gutenbergstraße 29a

99423 Weimar

Vortrag wird gehalten auf der 18. Internationalen IFF-Fachtagung
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